
Die Vogelinsel Runde
In den vergangenen knapp drei Wochen durften wir bereits unglaublich viel sehen und erleben. Vielleicht ist euch aber aufgefallen, dass die Tierwelt bisher kaum eine Rolle spielte. Das lag zum einen sicher an der Jahreszeit, zum anderen schlicht daran, dass wir keine lohnenden Anlaufstellen für spannende Sichtungen hatten. So beschränkten sich unsere Beobachtungen bislang auf verschiedene Entenarten an Küste und Seen, kleinere Singvögel wie Meisen, Drosseln und Bachstelzen sowie auf die allgegenwärtigen Nebelkrähen, Elstern und ein paar weitere Arten.

Das sollte sich in den nächsten Tagen jedoch ändern. Unser Weg führte uns von Ålesund zur Vogelinsel Runde – ein Ziel, auf das wir uns besonders gefreut haben. Die Straßen wurden auf den letzten Kilometern zwar zunehmend schmaler, blieben aber gut befahrbar. Eine Fähre braucht es hier nicht: Die kleinen vorgelagerten Inseln sind alle durch Brücken verbunden. Schließlich überquerten wir die schmale, einspurige Brücke, die direkt hinüber nach Runde führt.

Wir folgen der Küstenstraße direkt bis zum Campingplatz – und stehen schließlich mit Blick aufs offene Meer. Eine echte Traumlage. Überraschend: Der Betreiber spricht Deutsch. Eine willkommene Abwechslung, denn er hat viel zu erzählen – aus alten Zeiten, über die Insel und die Vogelwelt. Ein echtes Urgestein. Doch seine Worte klingen auch etwas wehmütig: Allzu lange wird er den Platz wohl nicht mehr führen, und ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Die Zukunft des Platzes scheint ungewiss.
Der Campingplatz selbst ist zwar etwas in die Jahre gekommen, ist jedoch sauber und bietet aber alles, was wir brauchen. Mit 330 NOK pro Nacht liegt er preislich im norwegischen Normalbereich – für diese Lage definitiv gerechtfertigt. Ein kleines Kiosk versorgt Gäste von morgens bis abends um 22 Uhr mit Getränken und Snacks.
Campingplatz für drei Nächte: Goksøyr Camping

Wir fühlen uns gut informiert: Mit einer kleinen Karte, handschriftlichen Notizen und ein paar persönlichen Tipps vom Betreiber starten wir unsere erste Erkundungstour über die Insel.
Es gibt zwei Hauptrouten – eine davon führt zur Ecke mit dem Leuchtturm „Runde fyr“. Der Einstieg ist nur ca. 200 Meter vom Campingplatz entfernt und führt zu Beginn sehr steil auf einem geteerten Weg bergauf. Dann geht es auf Schotter, später auf Steinplatten und dann auf Naturboden weiter die Klippen hoch. Bis zu diesem Punkt sind bereits rund 250 Höhenmeter zu überwinden – und damit ist der höchste Punkt noch nicht erreicht, denn auf dem Weg zum Leuchtturm geht es zunächst wieder etwas bergab. Wer mag, kann dort sogar bis hinunter zum Leuchtturm laufen. Für alle, die es etwas kürzer mögen, gibt es aber auch einen schmalen Pfad, der als Abkürzung dient und die große Runde abkürzt.
Die Brutkolonie der Basstölpel
Die Vogelinsel Runde beherbergt eine die südlichsten Brutkolonien des Basstölpels in Norwegen. Von April bis August nisten Tausende dieser eleganten Meeresvögel in den steilen Klippen. Mit
bis zu zwei Metern Flügelspannweite und ihren charakteristischen weißen Gefiedern sind sie ein imposanter Anblick – besonders beim Sturzflug auf Beute.
Am Nordwestlichen Ende der Insel angekommen, gibt es entlang der Küste einige Aussichtspunkte, von denen man auf den Brutfelsen für die Basstölpel schauen kann. Zuerst sieht man nur unzählige
weiße Punkte, dann kann man auch die Basstölpel im Flug sehen. Mit Helgoland lässt sich die Situation nicht vergleichen, dafür ist die Brutkollonie viel zu weit weg und auch 100-200m weiter unten
uns in den Felsen. Von den Basstölpeln werden es somit eher Top-Down-Bilder, was sich auch in den nächsten Tagen nicht ändern wird. Denn auf Augenhöhe kommen die schönen Vögel mit den blauen
Augen nur sehr selten und meist auch sehr weit entfernt. Aber auch so ist es wieder ein beeindruckendes Erlebnis die Basstölpel zu beobachten, wie sie mit dem Wind spielen und nach einer
Flugeinlage und Futtersuche wieder an den Felsen herabfliegen.
An stürmischen Tagen ist es gar nicht so einfach, die Vögel an den Klippenrändern zu fotografieren. Der Wind zerrt an Kamera und dem Gemüt – aber die Mühe lohnt sich. Für euren Besuch wünsche ich euch jedenfalls deutlich weniger Böen, als wir sie in den drei Tagen abbekommen haben.
Die Papageientaucher auf Runde
Die Papageitaucher sind zweifellos die Stars der Insel. Viele Besucher kommen ausschließlich ihretwegen – was zwar ein bisschen schade ist, aber bei ihrem Charme absolut nachvollziehbar. Aktuell gibt es etwa 32.500 Brutpaare auf Runde. Zum Vergleich: 2005 waren es laut offiziellen Angaben noch rund 100.000 Brutpaare – ein dramatischer Rückgang.
Die Brutzeit erstreckt sich von Mitte April bis Anfang August. In dieser Zeit kehren die Vögel vom offenen Meer zurück, wo sie den Rest des Jahres verbringen, und ziehen ihren Nachwuchs in selbstgegrabenen Höhlen auf, die sie in den grasbewachsenen Klippen anlegen.
Die besten Beobachtungszeiten sind die Abendstunden ab etwa 18 Uhr, oft auch später, wenn die Tiere von ihren Fischzügen heimkehren. Ein besonders beliebter Aussichtspunkt ist der „Kaldekloven“, der über einen gut markierten Wanderweg vom Campingplatz Goksøyr in etwa 45 Minuten erreichbar ist. Man startet dieselbe Route wie zum Leuchtturm bleibt dann aber links und steigt weiter hinauf. Auch hier sind es ca. 250 Höhenmeter, die man am Aussichtspunkt erreicht.
Für Fotografen bietet Runde fantastische Möglichkeiten. Die Papageitaucher sitzen jedoch häufig unterhalb der Klippenkante – mit etwas Glück kommen sie aber auch nach oben, was mit ausreichend Abstand tolle Perspektiven erlaubt. Wir haben mit unterschiedlichen Brennweiten fotografiert: vom Standardzoom (20–70 mm) über 70–200 mm, 135 mm/1.8 bis hin zu 300/400 und auch 600 mm. Wer – wie wir – mehrere Tage vor Ort ist, profitiert davon, mit verschiedenen Brennweiten vor Ort zu sein. Ein Objektivwechsel direkt am Spot ist jedenfalls oft problematisch: Das Wetter kann schnell umschlagen, Regen und Sturm sind keine Seltenheit. Und der Beobachtungspunkt ist gut besucht – je weniger man mit sich trägt, desto entspannter kann man sich in den schwierigen Gelände bewegen.
Unsere drei Besuche bei der Kolonie waren ein echtes Highlight – für Beobachtung und Fotografie gleichermaßen. Dass wir an zwei von drei Abenden ordentlich nass wurden, war schnell vergessen. Was bleibt, sind wunderschöne Erinnerungen an diese charismatischen Vögel.
Mehr als nur Papageientaucher
Auf der Insel gibt es natürlich noch viele weitere Vogelarten – und einige Schafe, die ganz entspannt zwischen den Wanderwegen grasen. Es lohnt sich also, nicht nur auf den Pfad zu achten, sondern auch den Blick über die Wiesen und in den Himmel schweifen zu lassen.
Recht zuverlässig lassen sich Große Raubmöwen (Skuas) beobachten, die am Himmel kreisen oder in Wegnähe auf dem Rasen sitzen. Sobald sich ein anderer Vogel nähert, richten sie sich auf, zeigen sich als Paar in voller Größe und rufen auffällig. Auf Runde brüten etwa 50 Paare dieser imposanten Möwen. Auch wenn sie in der Brutzeit als aggressiv bekannt sind – wir konnten sie aus nächster Nähe erleben, ohne dass sie sich gestört fühlten. Ein Paar ruhte sogar regelmäßig direkt am Wegesrand.
Ein ganz besonderes Erlebnis waren die Seeadler, die wir mehrfach gleichzeitig am Himmel kreisen sahen – bis zu fünf auf einmal. Das stürmische Wetter nutzten sie, um scheinbar mühelos über die Felsen zu gleiten, bevor sie im richtigen Moment blitzschnell herabstießen. Am Abend ließen sie sich auch bei den Papageientauchern blicken. Wenn das passiert, geht alles ganz schnell: Die Puffins ergreifen die Flucht oder verschwinden blitzartig in ihren Bruthöhlen. Innerhalb kürzester Zeit ist die Klippe wie leergefegt – und es dauert, bis sich die ersten Vögel wieder herauswagen.
Auch Steinschmätzer im Prachtkleid konnten wir beobachten, dazu zahlreiche Wiesenpieper – und natürlich bleibt als größtes Highlight die Natur selbst: wechselhaftes Wetter, ständig neue Lichtstimmungen, dramatische Wolkenformationen und gelegentlich ein Sonnenstrahl, der die Landschaft plötzlich ganz neu erscheinen lässt. Besonders eindrucksvoll war das nach kräftigen Regengüssen.
Und natürlich gibt es noch die Robbe, die immer mal wieder direkt am Campingplatz ihren Kopf aus dem Wasser streckt - ein Blick auf die See kann sich daher lohnen.
Wir waren froh, drei Tage Zeit für Runde zu haben. Und wäre das Wetter nicht noch schlechter geworden, hätten wir wahrscheinlich sogar noch einen Tag drangehängt.
Weiter geht’s: Die Atlantikstraße
Nach Runde ging es für uns zu einem weiteren landschaftlichen Highlight – der Atlantikstraße. Sie wurde 2005 von der norwegischen Bevölkerung zum „Bauwerk des Jahrhunderts“ gewählt und gehört zu den offiziellen Norwegischen Landschaftsrouten.
Der eigentliche Straßenabschnitt ist 8,3 Kilometer lang und führt spektakulär über acht Brücken, die kleine Inseln und Schären miteinander verbinden. Das bekannteste Bauwerk ist die Storseisund-Brücke mit 260 m Länge und 23 m Höhe. Besonders mit Blickrichtung Süden ist sie ein beliebtes Fotomotiv – durch ihre elegante Bogenform, eingerahmt von schroffen Bergen im Hintergrund.
Die komplette Landschaftsroute verläuft übrigens von Bud bis Kristiansund, wobei die Atlantikstraße zweifellos das Highlight ist. Trotzdem lohnt es sich, die gesamte Strecke zu fahren – landschaftlich abwechslungsreich und durchgehend beeindruckend.
Wir haben uns für die Anfahrt Zeit gelassen, um den schöneren Samstag für unseren Besuch zu nutzen – eine sehr gute Entscheidung. So konnten wir sowohl den Samstagabend als auch den Sonntagmorgen ausgiebig erleben, bevor es weiterging.
Entlang der Strecke gibt es immer wieder Stellplätze, öffentliche Toiletten und auch ein Café, das wir allerdings ausgelassen haben. Wenn ihr nach Norden fahrt, lohnt sich auch mal ein Blick nach rechts: Mit etwas Abstand zur Straße liegt dort ein durchbrochenes Wrack – ebenfalls ein spannendes Fotomotiv.
Ganz besonders lohnt sich dieser Abschnitt bei Sonnenuntergang. Die Lichtstimmung verleiht der Atlantikstraße dann etwas Magisches – und schnell vergisst man alle Fotos vom Tag, denn diese Aufnahmen sind besonders. Nun hofften wir noch auf einen schönen Sonnenaufgang.
1. Stellplatz am Hafen in ELNESVÅGEN
2. Parkplatz windgeschützt am Felsen auf der Atlantikstraße
Ohrentaucher in Rindal
Am Sonntag ging es für uns weiter – leider ohne den erhofften spektakulären Sonnenaufgang. Dennoch machten wir uns auf den Weg vorbei an Kristiansund in Richtung Trondheim. Brücken, ein Unterseetunnel und eine Fähre liegen wieder auf unserer Route. Statt der direkten Route wählten wir einen kleinen Umweg über die Straße 65 nach Rindal. Dort machen wir eine längere Pause – und werden belohnt: Am See entdeckten wir zufällig einige Ohrentaucher, die wir fotografieren konnten. Für die einheimischen Spaziergänger war das vermutlich so irritierend, als würde man jemanden beim Fotografieren einer Stockente beobachten. Für uns aber waren es die ersten Bilder dieses schönen Wasservogels – und entsprechend besonders.
Von Rindal aus setzten wir unsere Fahrt fort, mit einer Zwischenübernachtung etwas außerhalb von Trondheim. Viel gesehen haben wir auf der Route nicht mehr – der Weg war das Ziel. Auf auf einen Besuch in Trondheim haben wir verzichtet. Irgendwie war uns nicht nach Stadt.
Weiter zum nächsten schönen Abschnitt der Reise: Kystriksveien FV 17 – Die Küstenstraße zu den Lofoten
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