
Nach den letzten, teils recht abenteuerlichen Tagen heißt es nun: Abschied von den Lofoten.
Gegen Mittag fahren wir von Rolf’s Bar nach Norden, folgen der E10 und wechseln später auf die Straße 85. Trotz der tiefhängenden Wolken zeigt sich die Landschaft noch einmal von ihrer schönsten Seite – rau, wechselhaft und beeindruckend bis zum Schluss.
Die kommenden Tage verbringen wir auf der Insel Andøya, fahren weiter über die spektakuläre Insel Senja und schließlich bis nach Tromsø. Wieder einmal liegen spannende Tage vor uns – mit neuen Landschaften, neuen Eindrücken und auch ganz neuen Begegnungen.
Andøya – Zwischen Weite, Walen und Watt

Wir überqueren den Risøysundet, die Meerenge zwischen den Inseln Hinnøya und Andøya, über die 750 Meter lange Andøybrua. Über die ersten Kilometer unterscheidet sich das Landschaftsbild zunächst kaum von dem der letzten Tage.
Kurz nach der Ankunft verlassen wir die Straße 82 und biegen auf die kleinere Fv974 ab – eine Strecke, die zu den schönsten Landschaftsrouten Norwegens zählt: die Andøya-Küstenstraße (Fv974/Fv976).
Schon bald merken wir: Andøya ist anders. Flacher, weiter, offener – und genau das macht den Reiz dieser Insel aus. Statt dramatischer Berge erwartet uns eine weite Küstenlandschaft, durchzogen von Mooren, weißen Sandstränden und steilen Klippen, die unvermittelt aus dem Nichts aufzutauchen scheinen.


Auch wenn das Wetter nicht ganz mitspielt, empfinden wir die Landschaft als außergewöhnlich reizvoll. Unser Blick schweift über weite Moore und grüne Wiesen, stets in der Hoffnung, das eine oder andere Tier zu entdecken.
Und dann geschieht es: Plötzlich taucht neben uns ein Seeadler auf, der lautlos über die Baumkronen gleitet, auf der Suche nach Beute. Nur langsam lässt er sich vom Aufwind an der Felswand nach oben tragen. Es ist unser erster Seeadler in Norwegen, den wir aus solcher Nähe erleben.
Wir folgen weiter der einsamen Küstenstraße, als sich am späten Abend doch noch einige Sonnenstrahlen durch die dichte Wolkendecke kämpfen. Sie brechen stellenweise durch und lassen die Landschaft punktuell aufleuchten – genau die Lichtstimmung, auf die wir gehofft haben. Natürlich holen wir sofort die Drohne hervor, um nach den schönsten Blickwinkeln zu suchen.

Auf der Weiterfahrt zu unserem Stellplatz für die Nacht erleben wir noch einige unerwartete Begegnungen: Mehrere Moor-Schneehühner und ein Schneehase zeigen sich am Straßenrand.
Die Schneehühner schrecken auf, als wir mit dem Auto vorbeifahren, und fliegen davon. Wir können gerade noch sehen, wie das Männchen in einiger Entfernung auf der Straße landet – irgendwie witzig, wenn die Straße als Landebahn genutzt wird - glücklicherweise ohne Gegenverkehr. .
Der Schneehase ist noch im Fellwechsel: Sein weißes Winterkleid wird langsam von hellgrauen Flecken durchbrochen – ein schönes Zwischenspiel der Jahreszeiten. Es ist in diesen Breitengraden ohnehin selten, noch vollständig weiße Schneehasen im Mai zu sehen.
Wir freuen uns über diese spontanen Naturmomente, die oft genau dann auftauchen, wenn man sie nicht erwartet – und gerade deshalb so besonders sind.
📌 Wissenswertes zu Schneehuhn & Schneehase
🔹 Moor-Schneehuhn (Lagopus lagopus):
Dieses typische Tier der nordischen Tundra ist das ganze Jahr über gut getarnt: Im Winter trägt es ein komplett weißes Gefieder, im Sommer ein braun-gemustertes Tarnkleid. Der Wechsel beginnt
meist im April, zieht sich aber – abhängig von Höhenlage und Temperatur – bis Juni. Männchen behalten teils länger weiße Partien, besonders an den Flügeln.
🔹 Schneehase (Lepus timidus):
Auch der Schneehase passt sein Fell saisonal an. Im Frühjahr verliert er allmählich sein weißes Winterfell – zurück bleiben graubraune Flecken, die für kurze Zeit wie eine „Patchwork-Tarnung“
wirken. In Küstennähe und bei mildem Frühling beginnt der Fellwechsel früher. Ganzjährig weiße Tiere sind selten – meist nur in höher gelegenen oder besonders schneereichen Regionen zu
beobachten.
Nachdem wir ungefähr die Hälfte der Landschaftsroute hinter uns gelassen haben, verbringen wir eine ruhige Nacht in der Nähe zum Meer – kostenlos und ohne Infrastruktur, aber mit viel Ruhe und dem Klang der Wellen.
Andenes und der erste Anlauf zur Walbeobachtung
Erst auf der Fahrt durch die Lofoten haben wir beschlossen ein Walbeobahtung zu buchen. Bis dahin dachten wir, dass wir zur falschen Jahreszeit unterwegs sind, jedoch gilt das nicht für Andenes, ganz im Norden von Andøya gelegen. Denn hier gibt es ganz besondere Bedingungen.
Andenes, gilt als einer der besten Orte in Europa zur Beobachtung von Pottwalen – und das fast ganzjährig. Nur wenige Kilometer vor der Küste fällt der Meeresboden steil in den Bleik-Canyon ab, eine Tiefseezone, in der die Bedingungen für Wale ideal sind: kaltes, nährstoffreiches Wasser, viele Kalmare und damit perfekte Jagdreviere für Zahnwale wie den Pottwal.
📍 Warum ist Andenes so besonders?
- Kurze Anfahrt: Oft reichen ca. 30 Minuten Fahrt aufs Meer, um Wale zu sichten.
- Hohe Sichtungschancen: Besonders für Pottwale, aber auch Orcas, Zwergwale, Finnwale oder sogar Buckelwale sind saisonal möglich.
- Beste Zeit: Mai bis September, mit Höhepunkt im Sommer. Touren finden aber auch im Frühling und Herbst statt.
⚓ Anbieter & Touren
- Whalesafari Andenes ist der bekannteste Anbieter und wir können ihn absolut empfehlen!
- Touren dauern ca. 3–4 Stunden, meist in größeren Booten mit Guide und Vortrag.
- Empfehlung: Die Tour im RIB-Boot (kleine, schnelle Boote) für ein intensiveres, aber raueres Erlebnis – und den besten Blickwinkel für schöne Fotos. Die Tour hier dauert ca. 2-3 Stunden, wobei man sich ca. 1 Stunde vor Ort am Bleik-Canyon aufhällt. Aber schon auf der Hin- und Rückfahrt besteht die Chance Wale und Vögel - wie Seeadler oder Papageientaucher zu sehen.
Am Freitagmorgen gegen 10 Uhr erreichen wir den Touranbieter in Andenes. Das Wetter ist heute etwas besser, der Wind hat nachgelassen. Wir werden ausführlich über die Umgebung und die Besonderheiten der Tour informiert. Für den Nachmittag ist eine einzige Ausfahrt um 14 Uhr geplant – und wir haben Glück: Kurzfristig bekommen wir noch zwei Plätze.
Gesagt, getan – in wenigen Stunden kann es losgehen. Treffpunkt ist um 13:15 Uhr, dort erfolgt eine Sicherheitseinweisung, und wir erhalten natürlich auch die passende Kleidung.
Es bleibt also noch etwas Zeit, um unsere Vorräte für die nächsten Tage aufzufüllen. Doch gerade als wir den Supermarkt verlassen, klingelt das Telefon: Absage der Tour. Für den Kapitän ist die Wetterlage zu unsicher – vor allem der Wellengang sei zu stark. Es soll ja eine Walbeobachtung und keine Wellenbeobachtung werden.
Zum Glück dürfen wir die Tour auf den nächsten Tag (Samstag, 14 Uhr) umbuchen. Die Vormittagstour ist zwar bereits ausgebucht, aber wir freuen uns, dass wir so flexibel wechseln können. In wenigen Wochen, zur Hauptsaison, wäre das kaum noch möglich – dann sind die Touren oft Tage im Voraus ausgebucht.

Wir haben somit den Nachmittag frei und fahren etwa 10 Kilometer südwärts zur Blaik Marina. Auch dort werden Bootstouren angeboten – diese führen jedoch zur Vogelinsel Bleiksøya, die rund 1 km vor der Küste liegt.
Bis zu 80.000 Paare Papageientaucher nisten jährlich auf der steilen Felseninsel. Auch viele weitere Arten wie Tordalken, Trottellummen, Kormorane, Mantelmöwen und Seeadler lassen sich an den Klippen beobachten.
Wir entscheiden uns allerdings gegen eine Bootstour und für eine kleine Wanderung ins angrenzende Naturschutzgebiet – das Bleikmorenen Nature Reserve. Wir starten entlang der Küste, werden aber schon nach wenigen Minuten von einem kräftigen Regenschauer überrascht.
Auch der zunehmend auffrischende Wind bestätigt das gute Gespür der Crew vom Vormittag – die Absage der Walbeobachtungstour war absolut nachvollziehbar, Sicherheit geht vor.
Trotz des Wetters haben wir Glück: Wir entdecken mehrere Austernfischer, die uns auf dieser Reise schon so oft begegnet sind, und auch einige Rotschenkel lassen sich blicken .
Dann führt der Weg links hinein ins Moor. Entlang kleiner, knorriger Bäume geht es auf schmalen Pfaden über den für diese Landschaft typischen, weichen Boden. Immer wieder entdecken wir am Boden die Hinterlassenschaften von Elchen – und vor jedem kleinen Hügel wächst die Hoffnung, vielleicht doch dahinter noch einem dieser majestätischen Tiere zu begegnen.
Schließlich erreichen wir einen kleinen, stillen See, eingebettet am Rand der Moorlandschaft. Und dort erwartet uns ein ganz besonderes Highlight: Zwei Eistaucher ziehen ruhig ihre Bahnen über die spiegelglatte Wasseroberfläche.
Das Beste: Diese wunderschönen Vögel lassen sich aus nächster Nähe beobachten – ganz ohne Tarnung, ganz ohne Hektik. Sie wirken völlig ungestört und ermöglichen uns sogar, einige wunderbare Fotos zu machen.
Nach der Tour verbringen wir die Nacht in Andenes auf einem Parkplatz.

Pottwale erleben - unvergessliche Eindrücke
Am Samstagmorgen schauen wir kurz bei Whalesafari Andenes vorbei, um sicherzugehen, dass die Tour am Nachmittag wie geplant stattfinden kann. Gestern hatten wir auch für den Sonntagmorgen um 9 Uhr noch eine zweite Tour gebucht. Doch als wir heute erfahren, dass zusätzlich um 17 Uhr eine weitere Ausfahrt angeboten wird, entscheiden wir uns kurzerhand: Wir machen beide Touren heute. Auch zeigt sich der Touranbieter wieder sehr flexibel.
Warum? Ganz einfach: Das Wetter ist heute perfekt. Der Himmel wird zunehmend blau, der Wind soll auf wenige Meter pro Sekunde zurückgehen. Beste Bedingungen für die Walbeobachtung – besonders am späten Nachmittag, wenn das Licht weicher wird und die tief stehende Sonne das Meer in warmes Licht taucht.
Bis zur ersten Ausfahrt bleibt noch etwas Zeit. Wir machen einen kleinen Spaziergang zum Leuchtturm von Andenes und durch den Ort, der heute – am 17. Mai, dem norwegischen Nationalfeiertag – mit Fahnen geschmückt ist. Uns begegnen auch die ersten Frauen in bunten Trachten.
Kurz darauf startet ein kleiner Festumzug direkt an unserem Van vorbei – und wir haben das Gefühl, in der ersten Reihe zu sitzen. Anwohner winken, viele tragen ihre Bunad, es wird gelacht und gejubelt, während Blasmusik durch die Straßen klingt.
📅 Norwegens Nationalfeiertag – 17. Mai
Der 17. Mai ist der wichtigste Feiertag Norwegens und erinnert an die Verabschiedung der Verfassung in Eidsvoll im Jahr 1814. Gefeiert wird nicht mit Militärparaden, sondern mit fröhlichen Kinderumzügen, Blasmusik und ganz viel Flaggenstolz.
- Viele Norweger tragen ihre traditionelle Bunad (Tracht)
- Es gibt Umzüge, Musik, Eiscreme und Hotdogs – besonders für Kinder
- Feierliche, aber familiäre Atmosphäre – in kleinen Orten oft besonders authentisch
- Fast alle Geschäfte bleiben geschlossen
Ein einmaliger Einblick in norwegischen Nationalstolz ohne Pathos – dafür mit viel Herz und Gemeinschaftsgefühl.
Pünktlich um 13:15 Uhr geht es los mit der Einweisung. Wir erhalten unsere wasserdichten Thermoanzüge und natürlich eine automatische Rettungsweste, die wie ein Kragen um den Hals liegt und sich im Notfall selbst aufbläst. In zwei Gruppen aufgeteilt besteigen wir die RIB-Boote und verlassen kurz darauf das Hafenbecken.
Trotz der geringen Windstärke schlagen wir immer wieder mit dem Boot hart auf die Wasseroberfläche auf. Wir wurden bereits darauf vorbereitet, dass wir trotz der gefederten Sitze mit leicht angespannten Oberschenkeln aus dem Sitz gehen sollten, um die Schläge abzufedern und so Rücken und Nacken zu schonen. Schon nach wenigen Minuten merken wir, wie intensiv eine Fahrt wohl erst bei richtigem Wellengang wäre. Auch so ist es ein kleines Abenteuer.
Nach etwa 30 Minuten Fahrt erreichen wir den Bleik-Canyon. Jetzt richten sich alle Blicke aufs Wasser – auf der Suche nach den typischen Wassersäulen, die ein Pottwal beim Ausatmen ausstößt. Zusätzlich werden Unterwassermikrofone eingesetzt, um die Klickgeräusche der Wale aufzunehmen. Diese dienen der Echoortung bei der Nahrungssuche – solange der Wal klickt, ist er tief unten mit Fressen beschäftigt. Verstummen die Geräusche, bedeutet das: Er wird bald auftauchen.
Dann der Moment: Der erste Pottwal wird gesichtet! Sofort nehmen die Boote Kurs in seine Richtung. Wir nähern uns langsam, bleiben aber auf respektvoller Distanz – weit genug, dass er sich nicht gestört fühlt und in Ruhe verschnaufen und für den nächsten Tauchgang vorbereiten kann.
Viel vom Pottwal sieht man nicht – meist nur einen Teil des massigen Rückens, der langsam durchs Wasser gleitet. Dann hebt er die mächtige Fluke, kurz bevor er mit einem sanften Bogen in die
Tiefe abtaucht. Der klassische „Fluke-up dive“ – genau dieser Moment, den so viele hoffen zu erleben. Und wir hatten das Glück, gleich beim ersten Versuch dabei zu sein.
Insgesamt sehen wir bei dieser ersten Tour drei Pottwale und kehren zufrieden und wegen den schönen Bedingungen auch noch recht warm, wieder zurück in den Hafen. Auf dem Rückweg nehmen wir uns sogar noch die Zeit, einen Papageientaucher zu beobachten, der auf dem offenen Meer treibt und offenbar selbst nicht so recht weiß, was er von uns halten soll. Nach kurzer Zeit lassen wir ihn in Ruhe weiterfischen.
🐋 Wissenswertes zum Pottwal
- Größe: Männchen bis 20 m lang, bis zu 50 Tonnen schwer. Weibchen deutlich kleiner.
- Erkennungsmerkmal: Riesiger, eckiger Kopf; Blas schräg nach vorne links.
- Tauchverhalten: Bis zu 3.000 m tief und über eine Stunde lang unter Wasser. Hier im Bleik-Canyon sind es meist 800-900 Meter.
- Jagdtechnik: Nutzt Klicklaute zur Echoortung – eine Art natürliches Sonar.
- Nahrung: Vor allem Kalmare, aber auch Fische und Tiefseetiere.
- Verhalten: Männchen meist Einzelgänger in nördlichen Gewässern. Weibchen leben in Gruppen, bevorzugen wärmere Regionen.
- Besonderheit: Der Pottwal besitzt das größte bekannte Gehirn im Tierreich.
- Schutzstatus: „Gefährdet“ laut IUCN – nach jahrzehntelangem Walfang heute international geschützt.

Der zweite Anlauf zu den Pottwalen bei perfekten Bedingungen
Wir haben etwa eine Stunde Pause, bevor die zweite Tour um 17 Uhr den Hafen verlässt. Diesmal sind wir mit drei RIB-Booten unterwegs. Als wir das Hafenbecken verlassen, nimmt jedes Boot eine andere Route zum Bleik-Canyon, um die Chance auf Walsichtungen zu erhöhen.
Die Tour beginnt außergewöhnlich: Zwei Seeadler zeigen sich – einer im majestätischen Überflug, der andere sitzt auf einem Felsen, der direkt aus dem Wasser ragt. Kurz darauf begegnen uns die ersten Eissturmvögel, die fast ihr gesamtes Leben auf dem Meer verbringen. Heute Abend werden wir ihnen noch öfter begegnen.
Das Wasser ist noch ruhiger als am Nachmittag. Die Wellen gleiten weich ineinander, keine Gischt, kein Spritzen – das Meer wirkt geradezu sanft. Verstärkt wird diese Stimmung durch die tief stehende Sonne, die das Wasser in warmes Licht taucht. Selbst ohne Wale wäre dieser Anblick schon ein Erlebnis.
Zuerst sichten wir eine Gruppe Finnwale, die wir jedoch nur kurz begleiten können – und auch nur flüchtig zu Gesicht bekommen. Ungewöhnlich, denn laut unserem Kapitän zeigen sie sonst oft ein gewisses Interesse an den Booten.
Dann folgt die erste Sichtung eines Pottwals. Ganz ruhig liegt er im Wasser, atmet, gleitet langsam weiter – und irgendwann hebt sich sein Körper, die Fluke richtet sich auf, und mit einem perfekten Flukenschlag taucht er in die Tiefe. Ein wunderschöner Moment.
Wir haben an diesem Abend mehrere solcher Begegnungen. Durch den sanften Wellengang sieht man sogar etwas mehr vom Rücken der Wale. Wie das Meer selbst wirken auch die Tiere heute besonders ruhig.
Bei einer weiteren Begegnung stehen alle drei Boote im Halbkreis um einen Wal, mit respektvollem Abstand, die Motoren sind abgeschaltet. Plötzlich bewegt sich der Pottwal mit seinen geschätzten 20 Metern Länge direkt auf unser Boot zu. Ganz langsam gleitet er durch das Wasser, atmet – und kommt immer näher. Wir halten alle den Atem an. Unserem Kapitän dürfte in diesem Moment das Herz in die Hose gerutscht sein, als dieses urzeitliche Tier direkt unter unserem Boot hindurchtauchte – um einige Dutzend Meter später wieder aufzutauchen.
Wir verspüren in keiner Sekunde Angst. Es ist eher eine Mischung aus Ehrfurcht und Staunen. Unser Kapitän erzählt uns später: In 16 Jahren Walbeobachtung hat er so etwas noch nie erlebt. Eine Begegnung, die man wohl tatsächlich nur einmal im Leben hat.
Noch im Gespräch über das gerade Erlebte, sehen wir in der Ferne zwei Pottwale nebeneinander – auch das ist eher selten. Und als ob der Tag nicht ohnehin schon perfekt gewesen wäre, schwimmt ein weiterer Pottwal ganz ruhig an uns vorbei – und steht dabei genau in der Sichtachse zum Bergpanorama von Senja. Ein Bild, wie gemalt. Der anschließende Tauchgang erfolgt dann fast ausgerichtet zur Vogelinsel – es bleibt jedoch beim finalen Bild: Pottwal vor Andøya.
Mit einer tiefen Zufriedenheit und einem inneren Lächeln fahren wir zurück über das ruhige Meer in den Hafen von Andenes.

Unsere erste Mitternachtssonne
Kann man einen solchen Tag noch besser abschließen als mit unserer ersten Mitternachtssonne?
Wir verbringen den restlichen Abend auf dem Campingplatz von Andenes, mit direktem Blick auf das Meer. Die Stimmung ist perfekt – ruhig, klar, warmes Licht. Genau richtig, um die Bilder des Tages zu sichten und den Abend einfach ausklingen zu lassen.
📸 Das Bild unten zeigt den Sonnenstand gegen 23 Uhr. Um 00:10 Uhr ist die Sonne dann ganz langsam hinter dem Horizont verschwunden.
Was für ein Tag …

Die Fahrt in das schön gelegene Sommarøy

Senja – eine Insel zwischen Meer, Fjorden und Bergen
Die zweitgrößte Insel Norwegens zeigt sich wild, abwechslungsreich und dramatisch schön. Unsere Fahrt führt uns durch eine beeindruckende Landschaft mit steilen Bergen, tief eingeschnittenen Fjorden und kleinen Dörfern, die oft gut geschützt zwischen Felsen und Meer liegen.
Wir folgen der Norwegischen Landschaftsroute Senja, die sich über 102 Kilometer zwischen Gryllefjord und Botnhamn erstreckt – mit lohnenswerten Abstechern nach Mefjordvær und auf die kleine Insel Husøya. Eine Küstenstrecke, die wir jedem nur wärmstens empfehlen können.
Schon auf den ersten Kilometern entdecken wir unsere ersten Rentiere. Sie sind zwar domestiziert (am Ohr markiert), laufen aber frei – man spricht von halbwilden Rentieren. Und als würde alles zusammenpassen, scheint genau im richtigen Moment die Sonne auf die kleine Gruppe – und schenkt uns das perfekte Licht für ein wunderbares Bild. Ein Start nach Maß.
Kaum sind wir noch in den Fjorden unterwegs wo der Frühling scheinbar an die Tür klopft, führt uns die Straße 862 zwischen Ersfjord und Senjahopen plötzlich durch eine fast vollständig schneebedeckte Hochlandlandschaft. Wir hoffen dort auf die Sichtung eines Schneehuhns – leider ohne Erfolg. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit ja noch an anderer Stelle.
Ein besonders lohnenswerter Stopp erwartet uns gleich hinter dem Tunnel: die Bergsbotn Viewing Platform, mit herrlichem Blick über das Tal und den Fjord. Norwegen schafft es immer wieder, selbst architektonisch markante Akzente in die Natur zu setzen – hier mit einer Plattform, mit einem wellenförmigen Aufbau, der sich ins Freie schwingt, bis zur schwebenden Spitze.
Entlang dieser abwechslungsreichen Strecke fahren wir schließlich weiter bis zum Fährhafen von Botnhamn. Leider ist auch heute das Wetter nicht ganz auf unserer Seite, aber dennoch sind wir begeistert von dieser eindrucksvollen Route.

Ein überraschende Begegnung in Sommarøy
Es sind nur wenige Kilometer, nachdem die Fähre in Brensholmen anlegt. Die Straße nach Sommarøy schlängelt sich in sanften Kurven entlang der Küste, vorbei an glitzernden Buchten und schroffen Felsen. Besonders eindrucksvoll ist die Brücke nach Sommarøy, die sich mit einer Höhe von 40 Metern über das türkisfarbene Wasser spannt und den Blick auf das kleine Inselparadies freigibt.
In Sommarøy steuern wir einen kleinen Stellplatz an, auf dem sich außer uns nur wenige Camper befinden. Hier verbringen wir zwei Nächte.
Wir freuen uns auf einen kleinen Spaziergang und laufen die Straße entlang. Plötzlich hören wir die Rufe von Moor-Schneehühnern und beobachten aufmerksam die Umgebung. Zu unserer Überraschung sind es nicht nur ein Paar, sondern gleich mehrere, die sich hier im Gelände aufhalten. Es ist die Zeit, in der sich die Männchen besonders schön zur Schau stellen, um den Weibchen zu gefallen.
Die ganz besondere Begegnung haben wir jedoch auf dem Rückweg: Das Licht ist durch dunkle Wolken bereits schwach, als sich plötzlich vor uns eine Sumpfohreule auf einen Zaunpfahl setzt. Keine 30 Meter entfernt – wir können das Tier nur schemenhaft erkennen. Leider wird es von einem vorbeifahrenden Auto erschreckt und fliegt davon.
Mit der Kamera ausgerüstet brechen wir noch einmal auf. Und siehe da: Nach etwas längerer Suche entdecken wir die Eule wieder im Flug. Wir positionieren uns an einem Hang und warten. In etwa 100 Meter Entfernung steigen zwei Sumpfohreulen in die Luft – eine davon kommt direkt auf uns zu. Eine fantastische Gelegenheit für die ersten schönen Bilder.
Am nächsten Tag steht ein Admin-Tag an – Arbeit, Wäsche und Putzen sind angesagt. Aber natürlich lässt uns die Sumpfohreule nicht los. Am Morgen und am Abend sind wir erneut mit der Kamera unterwegs. Und wieder haben wir Glück: Am Abend sehen wir beide Eulen in der Luft und können noch einige schöne Aufnahmen machen.
So einen Ort zu verlassen, fällt uns nicht leicht. Dennoch geht es für uns nun weiter.

Letzte Etappe bis nach Tromsø

Heute geht es bei Regen weiter in Richtung Tromsø. Wir machen jedoch noch einen kleinen Abstecher ins Naturschutzgebiet Laksvatnet (Lakjosen), das als Tipp für Vogelbeobachtungen gilt. Eigentlich wissen wir, dass bei diesem Wetter die Chancen eher gering sind – aber der Umweg ist nicht groß, also machen wir uns auf den Weg.
Neben einigen Goldregenpfeifern, die wenig fotogen und recht weit entfernt im Gras nach Futter suchen, bekommen wir allerdings nicht viel zu sehen.
Für Fans von Schiffswracks gibt es am Strand immerhin etwas Besonderes: die Reste eines alten Holzbootes, das wir allerdings nur von der Straße aus betrachten.
Wir setzen unsere Fahrt fort und lassen Tromsø links liegen. Die Stadtbesichtigung sparen wir uns – stattdessen fahren wir weiter Richtung Süden. Zwei Routen stehen zur Wahl: eine kürzere Strecke mit zwei Fährverbindungen und eine etwas längere Route über Nordkjosbotn.
Wir entscheiden uns für die längere Variante und fahren weiter bis zum Skibotnutløpet Naturreservat. Dort finden wir einen wunderbar ruhigen Parkplatz für die Nacht, direkt an einem Zugang zum Schutzgebiet. Einige schmale Pfade führen hinein, doch für die große Vogelpopulation sind wir wohl noch etwas zu früh im Jahr. Immerhin entdecken wir ein paar Möwen und zwei Singschwäne am Wasser.
Parkplatz am Skibotnutløpet Naturreservat
Ab jetzt geht es für uns weiter Richtung Nordkap – wir freuen uns auf den nächsten Abschnitt unserer Reise.
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