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Part 10 - Norwegen, das Abenteuer Varanger

Den Tordalk ganz aus der Nähe erleben ... eine schöne Erfahrung
Tordalk auf Varanger

Varanger – unser Ruhepol im hohen Norden

Auf Varanger haben wir nun mehrere Wochen verbracht – eine erstaunlich lange Zeit, wenn man bedenkt, dass wir für die gesamte Reise bis hierher in den hohen Norden sechs Wochen unterwegs waren. Und doch fühlt es sich völlig richtig an. Schon bei der Planung stand fest: Hier wollen wir bleiben. Den arktischen Frühling erleben. Die besondere Tierwelt beobachten. Und vor allem: zur Ruhe kommen - auch wenn das bei der Vielzahl der Möglichkeiten doch wieder in den Hintergrund gedrängt wurde.

 

Im Gegensatz zu den bisherigen Blogeinträgen berichten wir diesmal nicht Tag für Tag. Stattdessen möchten wir in diesem Beitrag eine Zusammenfassung unserer schönsten Eindrücke geben – in Worten und Bildern.

Sicht auf die Kirche von Nesseby
Nesseby - Kirche

Eine Welt am Rande Europas

Die Halbinsel Varanger im äußersten Nordosten Norwegens wirkt rau, einsam und weit – und genau das macht ihren Reiz aus. Wer hierher kommt, sucht keine spektakulären Sehenswürdigkeiten im klassischen Sinn. Stattdessen erwartet einen eine Landschaft, die von Wind und Meer geformt wurde, ein Himmel, der sich endlos über die Tundra spannt – und ein Licht, das sich ständig verändert. Varanger ist ein stiller Magnet für Naturmenschen, Vogelfreunde und alle, die die Weite lieben.

 

Als wir hier ankamen, war die Küste bereits schneefrei, aber noch winterlich braun. In den Höhenlagen der Tundra lag vielerorts noch Schnee, und Seen und Tümpel waren teilweise gefroren. Doch nur drei Wochen später stand plötzlich der Sommer vor der Tür. Die Wiesen entlang der Küste sind nun grün, kleine Blumen blühen farbenfroh, und sogar die Rasenflächen in den Gärten werden zum ersten Mal gemäht.

 

Nicht umsonst sagen die Menschen hier im hohen Norden, dass es keinen Frühling gibt. Winter und Sommer reichen sich direkt die Hand. Dort, wo heute noch der Schnee liegt, sprießen morgen die ersten saftig grünen Blätter an den Birken. Das Leben erwacht – gefühlt – von einem Tag auf den anderen.

Tipp: Buch-Empfehlung für Varanger

Wenn ihr mehr über Varanger lesen möchtet oder euch gerade auf eine Reise in diese besondere Welt vorbereitet, kann ich euch das Buch Birding Varanger wärmstens empfehlen. Das Buch war lange vergriffen und ist nun wieder in einer neuen Auflage erhältlich.

 

Wie der Titel schon verrät, richtet es sich vor allem an Vogelinteressierte – mit wertvollen Informationen zu den Arten vor Ort und zahlreichen Tipps zu den besten Beobachtungsmöglichkeiten. Uns hat das Buch sehr geholfen. Ein Tipp, den wir selbst von einem Fotografen bekommen haben, der hier schon mehrfach unterwegs war. Das Buch gibt es jedoch nur in einer englischen Ausgabe.

 

Bezugsquellen:

  1. Direkt beim Anbieter (Biotope)
  2. Alternativ vor Ort im Museum von Varangerbotn – dort lag es zumindest aus, als wir das Museum besucht haben.

Im ersten Moment empfanden wir Varanger sogar als überraschend belebt. Nach den einsamen Tagen zuvor – mit Ausnahme des Nordkaps – waren wir größere Orte oder Siedlungen kaum mehr gewohnt. Die Südküste von Varanger ist im Vergleich zu dieser Einsamkeit deutlich dichter besiedelt. Wer jedoch direkt hierher anreist, wird das womöglich anders empfinden: Orte wie Vadsø, Vardø oder das kleine Fischerdorf Ekkerøy wirken dann eher wie bunte Farbtupfer in einer weiten Landschaft. 

 

Für Vogelfreunde ist Varanger in dieser Zeit ein Paradies. Wer möchte, kann schon deutlich früher anreisen – ab März treffen die ersten Zugvögel ein und ziehen bis Mitte oder Ende Mai weiter in den Norden. Doch auch Ende Mai und im Juni bieten sich entlang der Küste, an Steilküsten, Flussmündungen und in Feuchtgebieten zahlreiche Beobachtungsmöglichkeiten. Hier tummeln sich Tausende Zugvögel: Kampfläufer, Odinshühnchen, Prachteiderenten (die man dann allerdings nur noch mit etwas Glück sieht) und viele mehr. Manche sind auf der Durchreise, andere bleiben den Sommer über zum Brüten. Es ist eine Zeit, in der man am liebsten an vielen Stellen gleichzeitig sein möchte, da es so viel zu entdecken gibt.

 

Wer lange genug auf Varanger bleibt, kann sogar noch die ersten Jungtiere beobachten – wenn sich Hafenbecken, Buchten und Wiesen in kleine Kindergärten verwandeln und die Altvögel ihren Nachwuchs lautstark gegenüber potenziellen Feinden verteidigen.

 

Doch schon Mitte August beginnt der Rückzug. Die ersten Vögel verlassen das Brutgebiet und viele von ihnen ziehen wieder auf das offene Meer zurück – dorthin, wo sie den Rest des Jahres verbringen.

 

Auf Varanger sind wir Ende Mai angekommen, haben zunächst rund 17 Tage hier verbracht und sind nach einem Abstecher in die Region Sør-Varanger – dazu später mehr – nochmals für 12 Tage zurückgekehrt. Anfang Juli haben wir die Halbinsel schließlich verlassen. So konnten wir einige Orte mit einem zeitlichen Abstand von bis zu drei Wochen erneut besuchen – ein klarer Vorteil unserer Reise und der bewussten Entscheidung, Varanger besonders viel Zeit zu widmen.

Wir haben Varanger in dieser Zeit als eher trocken erlebt. Natürlich hat es auch hier geregnet, doch im Gegensatz zu den sechs Wochen zuvor war das Wetter deutlich stabiler. Leider blieb die Wolkendecke oft geschlossen, und nur an wenigen Tagen zeigte sich die Sonne – mit entsprechend seltenen Momenten, in denen wir die magische Mitternachtssonne bis tief in die Nacht für unsere Fotografie nutzen konnten.

 

Unsere Erwartungen an Varanger in Bezug auf die Vogelbeobachtung waren hoch. Nach etwa fünf Wochen auf der Halbinsel können wir sagen: Nicht alles hat sich so erfüllt, wie wir es erhofft hatten. Versteht uns nicht falsch – es gibt hier unglaublich viel zu entdecken und es ist, in unseren Augen wunderschön. Aber es braucht Zeit. Mit Ausnahme der Vogelinsel Hornøya, wo 100.000 Vögel in den steilen Felsen brüten, ist Varanger ist kein Ort für den schnellen Erfolg, bei dem sich tausende Vögel dicht gedrängt an wenigen Hotspots zeigen.

 

Ohne Frage: Die Hauptbeobachtungsorte, die wir besucht haben, sind immer einen Besuch wert. Aber wir haben auch viele Reisende gesehen, die kurz anhalten, nichts entdecken – und dann doch recht schnell weiterfahren. Uns hingegen war es möglich, an manchen Orten ein bis vier Tage zu verweilen, Wege mehrfach abzulaufen oder uns einfach mit Geduld an eine Stelle zu setzen und zu beobachten. Und genau das braucht es hier: Zeit.

 

Das heißt nicht, dass man als Durchreisender keine spannenden Beobachtungen machen kann – ganz im Gegenteil. Wer aufmerksam ist, wird auch auch schon entlang der Straße viel sehen. Aber wer sich ein bisschen mehr Zeit nimmt, erlebt Varanger intensiver – ruhiger, eindrucksvoller und ist näher dran an den eindrucksvollen Geschichten der Natur.

 

Nesseby - unser Einstieg in die Vogelwelt von Varanger

Ein Blick auf die Kirche von Nesseby während dem zweiten Aufenthalt Ende Juni
Die Kirche von Nesseby beim zweiten Besuch Ende Juni

Unser erstes Highlight auf Varanger war sicherlich der kleine Ort Nesseby. Viele halten hier kurz, um die weiße Holzkirche auf einer Landzunge direkt am Varangerfjord zu besuchen. Sie wurde 1858 vom norwegischen Architekten Christian Heinrich Grosch entworfen und ist eine der wenigen Kirchen in der Finnmark, die den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden haben. Noch heute ist sie ein aktives Zentrum der samischen Gemeinde – und ein stiller Zeuge der Geschichte dieser Region.

 

Wer ein paar Schritte weiter auf die Landzunge hinter der Kirche geht und sich etwas Zeit nimmt, kann hier einiges entdecken. Die Lage direkt am Fjord bietet nicht nur einen weiten Blick über das Wasser, sondern auch gute Chancen für spannende Vogelbeobachtungen. Verschiedene Möwenarten, Bruchwasserläufer, Alpenstrandläufer, Rotschenkel, Sandregenpfeifer und Austernfischer lassen sich hier gut beobachten – und sogar unsere ersten drei Kampfläufer konnten wir an dieser Stelle in Aktion erleben. Mit etwas Glück zieht auch ein Falke oder ein Seeadler tief über den schmalen Küstenstreifen.

 

Die Kampfläufer waren einer der Hauptgründe, warum wir Varanger unbedingt besuchen wollten. Dass wir diese faszinierenden Vögel schon am zweiten Tag auf der Halbinsel beobachten konnten, damit hatten wir nicht gerechnet. Für sie – wie für viele andere Arten – ist jetzt Balzzeit. Doch beim Kampfläufer ist sie besonders spektakulär: Die Männchen durchlaufen eine erstaunliche Verwandlung und erscheinen in einem komplett neuen Federkleid. Jedes Männchen entwickelt dabei ein einzigartiges Aussehen – mit Kragen, Kopffedern und Farben, die in Form und Intensität stark variieren.

 

In dieser Pracht versammeln sie sich auf sogenannten Balzarenen, auch „Leks“ genannt. Dort präsentieren sie ihre Tänze, liefern sich kleine Kämpfe und beeindrucken mit ritualisiertem Verhalten. Und sobald sich ein Weibchen zeigt, wird es richtig spannend – denn dann beginnt der eigentliche Wettkampf. Die Entscheidung liegt allein bei ihr: Wer den besten Eindruck hinterlässt, bekommt die Chance zur Paarung. 

In Nesseby haben wir keinen richtigen Kampfplatz gefunden, daher haben die Kampfläufer ihr Ritual an verschiedenen Orten entlang der Küste gezeigt. Im Grunde sind die Männchen dem Weibchen gefolgt um es unentwegt zu beeindrucken. 

 

 

Es gibt schon Jungtiere in Nesseby

Schon drei Wochen später, Ende Juni, zeigt sich die Landschaft rund um Nesseby in völlig anderem Gewand. Auch die Vogelwelt hat sich inzwischen weiterentwickelt. Die Kampfläufer, denen wir begegnen haben schon einen Teil ihres prächtigen Federkleids verloren – und zu unserer Überraschung sind die ersten Vögel bereits mit der Aufzucht ihrer Küken beschäftigt.

 

So entdecken wir in der Nähe der Kirche eine junge Austernfischerfamilie. Diese Vögel sind ohnehin nicht besonders scheu und verteidigen ihr Brutrevier lautstark – mit Küken gilt das erst recht. Ihre durchdringenden Rufe hallen weit, sobald sich ein potenzieller Feind nähert – sei es ein Raubvogel, eine Raubmöwe oder auch einfach ein Mensch. Nach kurzer Zeit scheinen sie uns jedoch weitgehend akzeptiert zu haben. Sie signalisierten ihren Jungen, dass es sicher ist, sich wieder am Strand zu bewegen.

 

Eine schöne Begegnung mit den kleinen Küken, die noch etwas ungeschickt, aber neugierig und vorsichtig zwischen den Eltern umherwuseln und den Strand erkunden. Die Futtersuche liegt ihnen offenbar im Blut – kaum in Bewegung, schon picken sie eifrig zwischen den Pflanzen und Steinen nach Essbarem.

 

An den zwei Tagen vor Ort beobachten wir auch eine Gruppe von Eiderenten mit ihren Jungtieren. Hier läuft das Ganze offenbar etwas anders: Es ist kaum zu erkennen, welche Küken zu welcher Mutter gehören – denn rund zehn Jungtiere werden gemeinsam im Verbund begleitet und bewacht. Ständig sind mindestens drei Weibchen in ihrer Nähe, oft gesellen sich noch weitere Weibchen und gelegentlich auch ein oder zwei Männchen dazu.

 

Das nennt man Arbeitsteilung – und die scheint hier auch dringend nötig. Denn es ist kräftezehrend, die Kleinen rund um die Uhr vor allen Gefahren zu schützen. Während Austernfischer mit lautem Ruf und wendigem Flug durchaus aktiv verteidigen können, trifft beides auf die Eiderente eher nicht zu. Die Bedrohungen sind jedoch die gleichen: Sumpfohreulen, Raubmöwen oder Seeadler – sie alle haben es auf die vermeintlich leichte Beute abgesehen.

 

Und als wäre das nicht genug, sind die Küken auch noch neugierig und neigen dazu, sich von der Gruppe zu entfernen. Kein Wunder also, dass diese Aufgabe eher einer 24-Stunden-Schicht ohne echte Pausen gleicht.

 

Vadsøya - Naturbeobachtung direkt hinter der Stadt

eine Prachteider schimmt im Hafen von Vadsø
Pracheider im Hafen von Vadsø

Vadsø ist einer der größeren Orte auf Varanger – und wirkt auf den ersten Blick eher unspektakulär. Eine kleine Innenstadt, ein paar Geschäfte und der Hafen. Vieles wirkt funktional, manches ein wenig aus der Zeit gefallen. Direkt im Hafen kann man sogar noch Anfang Juni mit etwas Glück einen Prachttaucher entdecken.

 

Direkt hinter der Stadt, über eine kleine Brücke erreichbar, liegt die Insel Vadsøya mit dem gleichnamigen Naturschutzgebiet. Im ersten Moment ist das von der Stadt aus nicht ersichtlich, da man eher auf ein Industriegebiet blickt. Jedoch beginnt hier das eigentliche Highlight von Vadsø. Ein schmaler Rundweg führt über offene Wiesen, entlang der Küste oder vorbei an einem kleinen See – und immer wieder mit Blick auf den Fjord und die Stadt. Die Vegetation ist artenreich, Anfang Juni hat man hier langsam das erste Grün entdeckt, Ende Juni blüht es an allen Ecken.

Auf den Wiesen konnten wir bei beiden Besuchen Rotschenkel und Goldregenpfeifer fotografieren, auch Wiesenpieper setzen sich immer wieder auf die Büsche und mit etwas Glück kann man dort auch Blaukehlchen entdecken. Auch einen Bruchwasserläufer haben wir fotografiert.  Entlang der Küste gibt es die Möglichkeit für Raubmöven, Dreizehenmöwen und viele andere Küstenvögel. Sogar Rentiere sind uns beim ersten Besuch in diesem kleinen Schutzgebiet begegnet. 

 

Wir haben viel Zeit mit den Odinshünchen verbracht, die sich immer wieder auf dem kleinen See tummeln. Die kleinen aber durchaus hübschen Wasservögel bewegen sich flink im Wasser auf der Suche nach Futter. Spannend ist auch, dass sie sich gerne mal streiten oder von einer Stelle zur anderen fliegen. Kurzum ... sehr schöne und agile Wasservögel. 

 

Spannend war auch die Zeit mit den Rotschenkeln. Sehr territorial verteidigen sie lautstark ihr Brutgebiet. Sie fliegen ständig um einen herum und versuchen, vom Nest abzulenken. Wir waren lediglich auf einem kleinen Wanderweg unterwegs – nicht auf der Suche nach einem Nest oder darauf aus, sie zu stören. Doch schon allein die Zeit auf dem Weg bot viele schöne Gelegenheiten, diesen eindrucksvollen Vogel zu fotografieren.

 

Direkt am See im Schutzgebiet von Vadsøya haben wir bei unserem ersten Besuch auch einen kleinen Kampfplatz entdeckt. Wie bereits beschrieben, vergleichen sich hier die Männchen der Kampfläufer durch Tänze und kleine Kämpfe, um die Aufmerksamkeit der Weibchen zu gewinnen. Drei Weibchen hielten sich am Ufer auf – regelmäßig wurden sie von den Männchen aufgesucht, in der Hoffnung, Eindruck zu machen.

 

Eine schöne Überraschung – und im Vergleich zu Nesseby konnten wir hier ganz entspannt an einer Stelle bleiben. Selbst wenn die Vögel kurz verschwanden, kehrten sie nach einiger Zeit zuverlässig zurück. Es braucht Geduld und vor allem Ruhe. Glücklicherweise waren nur wenige andere Besucher oder Fotografen unterwegs, sodass wir diesen besonderen Ort meist für uns allein hatten.

 

Das Schutzgebiet von Vadsøya wird oft übersehen – für uns hat sich der Abstecher jedes Mal gelohnt. Besonders Odinshühnchen, Rotschenkel und Goldregenpfeifer sind hier gut zu beobachten. Mit etwas Glück – und zur richtigen Zeit – kann man auch Kampfläufer entdecken: ein weiteres Highlight. 

Praktisch: Direkt am Eingang befindet sich ein Parkplatz, der auch als Stellplatz genutzt werden kann – kostenlos, mit Frischwasser, Grauwasser- und Toilettenentsorgung. Eine schöne Gelegenheit für alle naturinteressierte Camper.

 

Ekkerøy - der Vogelfelsen

Wir fahren weiter der Küste von Varanger entlang nach Osten – nächster Halt: Ekkerøy. Über einen schmalen Landstreifen erreicht man das vorgelagerte Örtchen. Schon hier entdecken wir auf beiden Seiten der Straße kleine Sandstreifen, auf denen sich verschiedene Limikolen tummeln. Doch diesmal liegt unser Fokus woanders. Hinter dem Ort ragen die markanten Felsen fast unscheinbar aus der sonst flachen Küstenlandschaft. Dort erwartet uns einer der beeindruckendsten Brutplätze der Region für Dreizehenmöwen.

 

Mit dem Van kann man wunderbar direkt am Fuß der Felsen parken – und auch über Nacht bleiben. Es gibt hier keine Infrastruktur, aber wie ihr wisst, ist das für uns nicht entscheidend. Der Platz bietet sogar etwas Windschutz, was wir bei beiden Besuchen – Ende Mai und Ende Juni – gut gebrauchen konnten, denn es wehte jeweils ein kräftiger Wind.

 

Man kann sich der Brutkolonie von der Küste aus nähern und dann hinauf in die Felsen blicken. Schon hier erhält man einen großartigen Überblick: Möwen fliegen unablässig hinaus aufs Meer oder ziehen Kreise um die Brutfelsen. Immer wieder treiben Gruppen von Dreizehenmöwen auf dem Wasser – ein faszinierendes Schauspiel.

 

Über die Felsenlandschaft führen zwei Hauptwege. Wer die komplette Runde gehen möchte, sollte etwa sieben Kilometer einplanen. Die Brutkolonien befinden sich jedoch bereits auf den ersten zwei bis drei Kilometern entlang der Steilküste. Die Möwen brüten teils bis an die obere Kante der Felsen und lassen sich von einer Mulde aus besonders gut beobachten.

 

Fotografisch bietet der Ort viele Möglichkeiten. Durch die hohe Flugaktivität eignen sich die Möwen hervorragend für Mitzieher oder kreative Experimente. Uns fehlte leider das passende Licht, sodass einige unserer Ideen – wie Reflexionen oder spezielle Perspektiven – im wahrsten Sinne unter den Tisch fielen.

 

Trotzdem verbrachten wir bei beiden Besuchen mehrere Stunden damit, die Möwen zu beobachten und zu fotografieren. Und wer genau hinsieht, entdeckt nicht nur Dreizehenmöwen: Auch Trottellummen, Tordalken und Gryllteisten lassen sich im Flug entlang der Küste beobachten. Mit etwas Glück landen sie sogar weit oben an der Felskante. Hier gelangen uns die ersten Bilder dieser beiden nordischen Arten auf dieser Tour..

 

Möwen zählen nicht unbedingt zu unseren Lieblingsmotiven, und doch war uns schon nach dem ersten Besuch klar, dass wir hier ein zweites Mal vorbeischauen würden. Die Brutaktivitäten waren im vollen Gange, jedoch konnten wir auch Ende Juni noch keine Jungtiere entdecken – das wäre ein weiteres Highlight gewesen. Dennoch lohnt sich ein Besuch. Und wer die gesamte Runde über die Felsenlandschaft geht, hat die Chance, noch eine ganz andere Vogelart zu entdecken.

 

Seeadler auf Ekkerøy

Wir sind die gesamte Runde über die Felsen sowohl am frühen Morgen als auch einmal am Nachmittag gelaufen. Jedes Mal begegneten uns dabei Seeadler. Da man hier ungeschützt entlang der Küste läuft, ist die Fluchtdistanz dieser beeindruckenden Vögel leider viel zu groß für wirklich gute Bilder. Dennoch ist es ein besonderes Erlebnis zu sehen, wie – gerade beim Morgenspaziergang – vier Adler nacheinander abheben und langsam der Küste folgend einen geschützten Platz suchen.

 

Eine weitere Möglichkeit, Seeadler zu beobachten, bietet sich auf der Autofahrt  von Ekkerøy in Richtung Osten schon auf den ersten Kilomentern. Hier hatten wir bei vier Fahrten eine beeindruckende 100%-Quote – meist mit mehreren erwachsenen Vögeln. Besonders ein Exemplar zeigte sich relativ unerschrocken und blieb zweimal „nahe“ der Straße auf einem Felsen sitzen. Glücklicherweise konnten wir dort kurz anhalten und ein paar Bilder machen.

 

Seeadler haben wir schon mehrfach fotografiert, und doch geht von ihnen eine besondere Faszination aus. Vielleicht liegt das auch an unserer eigenen Begeisterung für diese majestätischen Vögel. Wer diese teilt, wird hier hoffentlich ebenfalls fündig.

 

Genau auf diesem Streckenabschnitt haben wir auch unsere erste und bisher einzige Sumpfohreule im Flug gesehen. Wir konnten sie eine Weile beobachten, bis sie schließlich hinter einer Scheune verschwand. Auf Veranger hatten wir auf deutlich mehr Sichtungen gehofft, da in vielen Reiseberichten von schönen Begegnungen und guten Chancen die Rede ist. Doch der geringe Eulenbestand scheint sich aktuell durchzuziehen – diese Rückmeldung haben wir von mehreren Beobachtern hier oben bekommen.

 

Ekkerøy - die weiteren Vogelarten

Natürlich kann man auf Ekkerøy noch viele weitere Vogelarten entdecken. Ich möchte euch nur nicht langweilen mit immer wieder denselben Arten. Zwei erwähnenswerte Begegnungen bei unserem zweiten Besuch waren das Rotschenkel-Pärchen, das sich wunderschön auf die Zäune an der Ostseite setzte – also genau dort, wo wir auch die Adler beobachten konnten.

 

Auch die Raubmöwen konnten wir auf Ekkerøy beobachten und sie haben uns sofort begeistert. Zum einen waren sie uns bisher unbekannt, zum anderen sind sie äußerst aktiv und treten häufig als Paar oder in kleinen Gruppen auf. Besonders Ende Juni zeigten sie sich jedoch von ihrer aggressiven Seite: Wenn wir uns über einige Abstecher vom Rundweg zu sehr näherten, gingen sie im Tiefflug auf uns los. Sie flogen direkt auf uns zu und drehten erst im letzten Moment ab oder rauschten nur knapp über unsere Köpfe hinweg. Mehrmals zogen wir reflexartig die Kamera über den Kopf, um uns vor den anfliegenden Raubmöwen zu schützen – und beschlossen dann meist, den Weg etwas zügiger fortzusetzen.

 

Die Kampfläufer – wir erleben die Balz

Balzverhalten der Kampfläufer
Kampfläufer in Aktion

Das besondere Balzverhalten der Kampfläufer hatte ich ja oben schon beschrieben. Bisher sind uns diese Vögel nur zufällig begegnet, und das meist mit eher verhaltenem Balzverhalten. Nun war es an der Zeit, einen der bekannten und auch im Buch dokumentierten Balzplätze auf Varanger anzufahren.

 

Von Ekkerøy aus sind es etwa 30 Minuten Fahrt in Richtung Vardø. Unterwegs passieren wir einige schöne Plätze, die wir diesmal jedoch links liegen lassen – der Besuch des Balzplatzes stand seit der Reiseplanung fest auf unserer Liste und bestimmte auch den zeitlichen Ablauf unserer Reise. Das Schauspiel ist nur von kurzer Dauer. Genau vorhersagen lässt es sich natürlich nicht, aber der Zeitraum von Mitte Mai bis Mitte Juni gilt als Hauptzeit. Wir sind nun am 1. Juni hier und hoffen auf eindrucksvolle Beobachtungen.

 

Kurz vor dem Ziel biegen wir links von der Straße ab. Es geht über einen holprigen Schotterweg, der mit Schlaglöchern übersät ist, sechs Kilometer hinauf auf eine etwas höher gelegene Ebene. Während an der Küste kaum noch Schnee zu sehen ist, sind hier oben die kleinen Seen noch fast zugefroren, und einzelne Schneefelder säumen die Piste. Kurzum: Wir sind wieder einmal in einer wunderschönen, leicht winterlichen Landschaft angekommen – verbunden mit der seltenen Möglichkeit, Kampfläufer im Schnee und auf dem Eis zu fotografieren.

 

Beim ersten Besuch verbringen wir vier Nächte direkt neben dem Balzplatz. So bleibt uns ausreichend Zeit, das Treiben in Ruhe zu beobachten. Die Illusion, hier ganz allein zu sein, sollte man allerdings schnell ablegen. Bis auf eine regnerische Nacht standen wir stets mit mehreren Campern zusammen. Über den Tag bis tief in die Nacht kamen und gingen Kurzzeitbesucher – manche wollten nur einen schnellen Blick auf die Kampfläufer werfen, andere die besondere Landschaft genießen. Auch organisierte Fotoreisegruppen statteten dem Platz ihren Besuch ab. In einer Nacht stellten sie kurzerhand fünf Tarnzelte nebeneinander auf. Kein Wunder: Es war eine dieser besonderen Nächte, in denen die Sonne fast durchgängig den Balzplatz ausleuchtete. Auch wir hielten es bis gegen 3 Uhr morgens aus, ehe wir unsere Sachen zusammenpackten und schlafen gingen.

 

Der Platz ist also kein einsamer Geheimtipp mehr – aber er ist und bleibt ein fantastischer Ort, um das Balzverhalten der Kampfläufer zu erleben.

 

Erfahrene Fotografen, die seit Jahren hierherkommen, berichteten allerdings, dass die Aktivitäten deutlich nachgelassen haben. Es waren nur wenige Weibchen auf dem Platz, was für ein lebhaftes Balzgeschehen jedoch entscheidend ist. Manche Fotografen bewegten sich zudem ungetarnt und viel zu nah an die Vögel heran – was sicher nicht hilft. Für uns war es jedenfalls der meistbesuchte Fotospot auf unserer bisherigen Reise.

 

Kurz vor unserer Abfahrt kamen dann sogar Ranger vorbei. Sie errichteten Absperrungen und brachten Hinweistafeln an: „Bitte nur mit Tarnkleidung und möglichst mit Tarnzelt bis zu dieser Schnur. Ohne Tarnung mindestens 50 m Abstand halten.“ Leider wieder einer dieser Orte, an dem es nur noch über Regeln geht. Aber verständlich – Veröffentlichungen in Büchern, Artikel wie dieser und die Mundpropaganda haben diesen Platz in den letzten Jahren immer bekannter gemacht.

 

Wir haben auf Varanger später noch viele Kampfläufer gesehen, manche sogar in kleineren Balzgruppen. Doch keiner der anderen Plätze war so gut zugänglich wie dieser hier. Uns hat die Zeit mit den Kampfläufern unglaublich viel Spaß gemacht, und wir würden sie jederzeit wiederholen – es steckt noch so viel Potenzial für einmalige und ganz besondere Aufnahmen dieser faszinierenden Vögel. Jeder von ihnen trägt ein einzigartiges Gefieder. Ob diese Variationen eine Rangfolge widerspiegeln oder rein zufällig sind, kann ich nicht sagen – dafür fehlt mir das Wissen.

 

Wer einige Stunden am Platz verbringt, wird bald feststellen, dass die Kampfläufer gerne für eine Zeit verschwinden und irgendwann wieder zurückkehren. Wir haben ungefähr zwölf Männchen gezählt, die sich hier gleichzeitig aufhielten – ungefähr deshalb, weil der Balzplatz leicht hügelig ist. Von manchen Positionen lassen sich nicht alle Mulden einsehen, sodass plötzlich ein weiterer Kampfläufer auftauchen und sich ins Geschehen einmischen kann.

 

Den Großteil der Zeit sitzen die Männchen jedoch ruhig da, ruhen sich aus oder ducken sich tief in eine der Mulden. Vielleicht, um sich zu verstecken – oder einfach, um dem kräftigen Wind zu entgehen.

 

Plötzlich und ganz unerwartet geht es dann wieder los. Häufig, wenn ein weiterer Kampfläufer angeflogen kommt – und besonders dann, wenn sich ein Weibchen auf die Arena wagt. Spätestens in diesem Moment sind alle Männchen hellwach und eifrig damit beschäftigt, ihre Pracht zu präsentieren. Denn jetzt geht es um alles.

 

Nicht nur Kampfläufer – weitere Begegnungen auf dem Fjell

Hier parken wir über vier Nächte neben dem Kampfplatz
Parkplatz am Kampfplatz

Die Kampfläufer sind jedoch nicht die einzigen Vögel, denen wir hier oben begegnen.

 

Eine Rotdrossel begleitet uns während der gesamten vier Tage mit ihrem unermüdlichen Gesang. Kaum zu glauben, welche Ausdauer dieses kleine Tier an den Tag legt.

Neben Möwen, Schwalben, Piepern, Reiherenten, Fitise, Schneehühnern und Raubmöwen gibt es immer wieder neue Begegnungen. Eine der besonderen war für uns das rotsternige Blaukehlchen. Bei uns in Süddeutschland ist es ein seltener Gast – und wenn, dann handelt es sich meist um das weißsternige Blaukehlchen. Hier im Norden dagegen sehen wir das rotsternige regelmäßig und können es in dieser Zeit sogar mehrfach fotografieren.

 

Auch ein Pärchen Sterntaucher hat sich auf einem der Seen aufgehalten. Nur selten wagten sie sich in die Nähe der Menschen, sodass sie für uns „nur“ zur Beobachtung geeignet waren – trotzdem ein schöner Anblick.

 

Wer hier oben auf das Fjell fährt, dem können wir nur empfehlen, immer aufmerksam zu bleiben und die Umgebung genau im Blick zu behalten. Denn mehr als einmal wurden wir überrascht, was sich hier alles zeigt.

 

Eine Überraschung - der Polarfuchs

Etwa 700 m weiter gibt es übrigens einen Parkplatz mit einem Toilettenhäuschen – ideal als Ausgangspunkt für ausgedehnte Wanderungen über das Fjell. An einem der Vormittage haben wir uns, watend durch den Schnee, selbst auf den Weg gemacht. Wir stiegen die angrenzende Anhöhe hinauf, etwa 150 Höhenmeter, und oben lag noch über weite Bereiche eine geschlossene Schneedecke. Unsere Hoffnung: den Polarfuchs zu sehen. Ein französischer Fotograf hatte uns erzählt, dass er genau hier eine Woche zuvor einen Fuchs fotografieren konnte.

 

Wir hatten zwar eine schöne Wanderung, sahen viele Rentiere und genossen die Weite der teils noch winterliche Landschaft – doch der Polarfuchs wollte sich nicht zeigen.

 

An einem anderen Tag entschieden wir uns, einen Abstecher nach Vardø zu machen. Zum einen wollten wir die Batterien aufladen, Vorräte auffüllen und Frischwasser tanken. Erst am späten Abend – es war schon gegen 21:30 Uhr – machten wir uns bei aufkommendem Regen auf den Rückweg. Und dann plötzlich: Die ersten beiden Autos standen am Straßenrand, die Insassen standen neben den Autos mit Blick auf einen Berghang in der Nähe des Flugplatzes. Als wir näherkamen, sahen wir ihn – den Polarfuchs! Er läuft gerade den Hang hinauf und hat vermutlich kurz zuvor die Straße überquert, wodurch er aufgefallen war.

 

Wir konnten auf die Schnelle einige Bilder machen, während der Fuchs immer wieder stehen blieb und sich neugierig zu uns umschaute.

 

 

Eine wunderbare, völlig zufällige Begegnung – und definitiv eines der Highlights dieser Reise.

 

Der zweite Besuch am Kampfplatz - alles ganz anders

Ende Juni entschieden wir uns noch einmal, auf die Hochebene zum Balzplatz der Kampfläufer zu fahren. Irgendwie waren wir doch neugierig, was von dem Treiben noch übrig geblieben ist.

 

Wir hatten gehofft, vielleicht das Blaukehlchen oder den Sterntaucher bei der Brut zu entdecken. Doch beide Arten ließen sich nicht mehr blicken. Auch die Kampfläufer hatten den Balzplatz längst verlassen. So war es zunächst recht ruhig am See und auf den Flächen um die Arena.

 

Dafür war der Schnee und das Eis komplett verschwunden und die Landschaft war grün, die Büsche hatten Blätter und die Blüten brachten einige Farbtupfer in die Landschaft.

 

Wir machen wir uns zu Fuß in Richtung des Parkplatzes auf, in der Hoffnung, am Wegrand noch Regenpfeifer oder andere Brutvögel zu sehen.

 

Nach einiger Zeit entdecken wir schließlich Regenbrachvögel. Eigentlich machten sie selbst auf sich aufmerksam – recht energisch sogar, vermutlich weil wir uns in der Nähe ihres Brutgebiets bewegten. Plötzlich huschte ein kleines Federknäuel über den Weg und verschwand blitzschnell im dichten Grün. Es war wirklich wie vom Erdboden verschluckt. Erst als es an einer anderen Stelle wieder aus dem niedrigen Bewuchs auftauchte, konnten wir erkennen: Es war das Jungtier des Regenbrachvogels.

 

Wir positionierten uns vorsichtig neu, setzten uns in eine Mulde und warteten ab. Unter den aufgeregten Rufen der Elterntiere kehrte langsam wieder Ruhe ein. Die beiden begannen zu fressen und signalisierten dem Jungvogel mit leisen Rufen ihre Nähe. Wir konnten das Geschehen eine ganze Weile beobachten – ein intimer Moment inmitten der weiten, stillen Landschaft.

 

Doch die Ruhe währte nicht lange: Plötzlich wurden Raubmöwen auf die Szene aufmerksam. Die Eltern setzten sich energisch gegen die Angreifer zur Wehr, und wir entschieden, dass es Zeit war, den Platz zu verlassen. So stellten wir sicher, dass das Jungtier in Deckung bleiben konnte und die Eltern nicht auch noch uns als potenzielle Gefahr im Blick behalten mussten.

 

Für uns hat sich dieser zweite Besuch auf dem Fjell absolut gelohnt. Tolle Eindrücke und besondere Beobachtungen brauchen manchmal einfach Zeit und Geduld – aber das wisst ihr ja selbst.

 

Ein Besuch in Vardø und der Vogelinsel Hornøya

Wir verlassen die Hochebene und fahren weiter nach Osten – unser nächstes Ziel ist Vardø. Wir erreichen die vorgelagerte Insel Vardøya und dort auch die Stadt durch einen knapp drei Kilometer langen und bis zu 88 Metern tiefen Unterseetunnel. Die kleine Stadt Vardø wirkt auf den ersten Blick rau und ein wenig abweisend, umgeben von Meer und karger Landschaft. Doch für Naturfreunde ist sie ein echtes Juwel: Vor der Küste liegt die berühmte Vogelinsel Hornøya, die über eine kurze Bootsfahrt erreichbar ist. Zuerst wollen wir uns jedoch die Stadt etwas genauer ansehen.

Vardø - mehr als ein Ausgangspunkt für Hornøya?

Mit unserem Van fahren wir direkt zum Hafen und finden an der Touristeninfo neben den Anlegern einen geeigneten Stellplatz. Es gibt Strom – wenn auch teilweise nur mit einem sehr langen Kabel erreichbar. Wir haben Glück und bekommen einen Platz in der Nähe der Steckdosen. Eine Dusche und Toilette finden wir entweder in der Touristeninfo oder im Hotel auf der anderen Straßenseite. Im Hotel kann man übrigens auch den Platz bezahlen, falls die Info geschlossen ist.

 

Um den Kühlschrank für die nächsten Tage zu füllen, geht es zuerst zu Fuß zum Spar-Markt. Danach packen wir die Kamera und schlendern entlang des Hafens.

 

Schon auf den ersten Metern fallen uns die Möwen auf, die quasi auf allen Gebäuden am Hafen ihre Nester gebaut haben. Jede Kante, jeder Vorsprung und jedes Dach wird genutzt. Eine spannende, aber auch etwas „schmutzige“ Perspektive auf den Hafen. Viele Häuser wirken verlassen oder ungepflegt – der Ort zeigt sich uns nicht von seiner schönsten Seite.

 

Über eine Brücke erreichen wir die andere Hafenseite. Wir laufen bis zum Kai, vorbei an ausgemusterten Booten und einem Stapel Boxen, die offenbar als Nistplätze für Möwen dienen. Ob die Boxen den Vögeln zusätzliche Brutplätze bieten sollen oder die Häuser vor ihnen schützen – das werden wir wohl nicht erfahren. Ein spannendes Fotomotiv sind sie auf jeden Fall.

 

Am Kai beobachten wir eine Seeschwalbe, wie sie immer wieder ihr Junges füttert. Leider wird das Schauspiel von vorbeilaufenden Fischern gestört – und auch wir lassen uns kurz ablenken: Ein Schiff der Havila Kystruten kündigt sich mit einem lauten Horn an. Faszinierend, wie das große Schiff durch die enge Kaiöffnung manövriert und im Hafenbecken einmal um die eigene Achse dreht.

 

Als wir uns wieder umsehen, ist die Seeschwalbe verschwunden. Wir spazieren weiter bis zum Ende der Landzunge, von der aus wir einen ersten guten Blick auf die Vogelinsel Hornøya haben.

 

Zurück am Van macht sich das Kreuzfahrtschiff erneut mit einem tiefen Hornstoß auf den Weg, und am Hafen kehrt wieder Ruhe ein.

 

Ein Highlight - die Vogelinsel Hornøya

Das RIB liegt noch im Hafen und wartet auf die Überfahrt
Überfahrt mit dem RIB

Am nächsten Morgen machen wir uns bereit. Die Tickets für die Überfahrt kann man nur tagesaktuell kaufen, da erst dann entschieden wird, ob das Boot überhaupt fährt. Mittlerweile gibt es zwei Varianten: das RIB (Rigid Inflatable Boat) und ein Fischerboot. Das RIB ist etwas unempfindlicher gegenüber den Wellen, aber trotzdem gab es in dieser Woche schon zwei Tage ohne Überfahrt. Besonders bitter für alle, die nur wenig Zeit haben und den Besuch der Insel möglicherweise komplett verpassen.

 

Wir haben Glück: Der schwache Wind schenkt uns eine ruhige Überfahrt mit dem RIB. Das Wetter ist wechselhaft – ein kleiner Regenschauer erwartet uns noch, doch für den Nachmittag sind helle Abschnitte und aufgelockerte Bewölkung angekündigt. Perfekte Voraussetzungen für interessante Bilder.

 

Schon während der Überfahrt sind wir überwältigt. Tausende von Vögeln steigen aus dem Wasser und den Steilwänden auf. Zwei Seeadler gleiten dicht an der Küste entlang und sorgen für ordentlich Tumult. Überall kreischen, flattern und jagen Vögel durcheinander. Wir wissen gar nicht, wo wir zuerst hinschauen sollen. Auf den Bildern lassen sich diese gewaltigen Vogelschwärme kaum erahnen – daher nehmen wir nur ein einziges Foto dieser Szene in unsere Auswahl.

 

Über einen kleinen Metallsteg betreten wir schließlich die Vogelinsel Hornøya. Wir hatten gelesen, was uns erwartet, aber wirklich vorstellen konnten wir es uns nicht. Schon hier, direkt am Steg und auf den angrenzenden Felsen, sitzen die ersten Krähenscharben, Trottellummen und Tordalke. Entlang der Küste reihen sich unzählige weitere Vögel aneinander, im Wasser schwimmen sie zu hunderten – wahrscheinlich tausenden – in Gruppen.

 

Als wir den Blick zur steilen Felswand vor uns heben, geht das Spektakel nahtlos weiter: Dreizehenmöwen, Krähenscharben, Trottellummen und Tordalke brüten oder bereiten sich auf die Brut vor. Sogar die ersten Papageitaucher-Nester fallen uns auf – sie liegen direkt auf Augenhöhe oder nahe am Boden. Im ersten Moment sind wir völlig überwältigt von der schieren Masse an Vögeln. Wo sollen wir hier jemals ein Fotomotiv finden?

 

Wir laufen ein Stück an der Steilwand entlang, steigen am Ende über Stufen die Felsen hinauf und gehen in Richtung Leuchtturm. Doch dort oben wird es plötzlich ruhig – keine Vögel mehr weit und breit. Also drehen wir wieder um, laufen am Steg vorbei und setzen uns auf ein Grasbüschel. Es ist Zeit für das zweite Frühstück. Eine perfekte Entscheidung, um zur Ruhe zu kommen und unsere Wunschmotive noch einmal im Kopf zu sortieren. Mit frischem Blick und neuen Ideen ziehen wir kurz darauf wieder los – und nun entstehen auch die ersten Bilder.

 

Die Papageientaucher auf Hornøya

Viele Besucher der Vogelinsel Hornøya bleiben in der Nähe des Landestegs oder zumindest auf dieser Seite der Insel. Dabei verpassen sie einen ganz besonderen Teil der Inselbewohner: die Papageientaucher. Als wir entlang der steilen Felswände laufen, frage ich mich immer wieder, wo sich diese hübschen kleinen Kerle eigentlich verstecken. Klar, wir entdecken hier und da ein paar Bruthöhlen und sehen auch einzelne Papageientaucher. Aber das kann doch nicht die große Kolonie sein, von der alle sprechen.

 

Also machen wir uns ein zweites Mal auf den Weg in Richtung Leuchtturm. Beim ersten Versuch sind wir noch auf halber Strecke umgekehrt – zu wenig Vögel, dachten wir zumindest. Diesmal laufen wir die gesamte Strecke. Und dann, kurz hinter dem Leuchtturm, plötzlich die erste Sichtung: Da sind sie! Die ersten Papageientaucher hocken oben auf den Felsen. Ein paar Schritte weiter und ein Blick über die Kante – und wir wissen, hier sind wir richtig.

 

Unter uns liegt die Kolonie. Hunderte, vielleicht tausende Papageientaucher starten und landen unablässig. Überall schwarze Punkte, die wie winzige Pfeile übers Meer schießen. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen – ein chaotisches, wunderschönes Schauspiel.

 

Am meisten freuen wir uns über die kleinen Gruppen direkt am oberen Rand der Steilküste. Sie wirken fast gelassen, lassen uns relativ nah heran, solange wir respektvoll Abstand halten. Klar, die Kamera halten wir ihnen nicht direkt vor den Schnabel. Aber selbst mit 135 mm – und manchmal sogar mit 50–70 mm – gelingen uns Aufnahmen.

 

Wir bleiben den ganzen Nachmittag bei den Puffins – so heißen sie auf Englisch. Immer wieder setzen wir uns ins Gras, schauen aufs Meer und lassen uns von diesem emsigen Treiben fesseln. Kaum zu glauben, dass über die gesamte Zeit nur 5 Personen mit uns die Papageientaucher bestaunt haben. 

Gibt es schon Jungtiere auf Hornøya?

Ende Juni nehmen wir nochmals einen Anlauf und fahren bis nach Vardø. Schon bei der Ankunft hängen die Wolken tief, es nieselt leicht, und die Sonne zeigt sich nur ganz sporadisch. Am Stellplatz angekommen, kommen wir schnell mit anderen Campern ins Gespräch und fragen nach ihren Erfahrungen auf der Vogelinsel. Die Antwort ist ernüchternd: Wir sind wohl noch etwas zu früh dran. Wahrscheinlich dauert es noch ein bis zwei Wochen, bis die ersten Jungtiere der Papageientaucher von ihren Eltern gefüttert werden – das klassische Motiv der Papageientaucher mit den Fischen im Schnabel, das wir nur allzu gerne fotografiert hätten - ist somit aktuell noch nicht möglich.

 

Als wir dann am nächsten Morgen aufwachen, regnet es und die Sicht ist nicht besonders gut. Somit entscheiden wir uns kurzfristig, die Vogelinsel doch kein zweites Mal zu besuchen. 

Hamningberg - hier endet die Straße

Wer Varanger entlang der E75 erkundet, für den endet die Reise scheinbar in Vardø. Wir empfehlen jedoch unbedingt, die Fahrt nach Hamningberg über die Fv 341 fortzusetzen. Schon die Strecke selbst ist ein kleines Abenteuer: Sie führt über eine schmale, aber gut ausgebaute Straße durch eine spektakuläre Landschaft.

 

Es fühlt sich an wie ein Sprung in eine andere Welt. Kaum haben wir Vardø hinter uns gelassen, wird die Landschaft rauer, die Küstenlinie schroffer. Wir rollen auf der schmalen Straße durch eine karge Szenerie – wie von einem anderen Planeten. Links peitscht das Nordmeer gegen schwarze Felsen, rechts türmen sich bizarre Gesteinsformationen auf – Relikte der letzten Eiszeit, die wie Skulpturen in der Landschaft stehen. Wir haben das Glück, die Strecke im späten Abendlicht zu fahren, was der Szenerie eine noch dramatischere Wirkung verleiht.

 

Vegetation gibt es kaum. Nur hier und da klammern sich niedrige Gräser und Moose an den Boden. Kein Baum, kein Strauch – nur Felsen, Meer und das Gefühl, am Rand der Welt zu sein. Am liebsten würden wir immer wieder anhalten, um Fotos zu machen, doch auf der schmalen und kurvigen Straße ist das – trotz des geringen Verkehrs – nur eingeschränkt möglich.

 

Nach einigen Kilometern taucht eine kleine Siedlung auf. Die Häuser schmiegen sich an die Felsen, als suchten sie Schutz vor Wind und Wetter. Und dann, nach rund 35 Kilometern, liegt plötzlich Hamningberg vor uns: ein winziges, verlassen wirkendes Fischerdorf mit alten Holzhäusern und Bootshütten, die sich entlang der Küste ziehen. Früher ein belebter Ort, heute eher ein Freiluftmuseum – und doch mit einer ganz eigenen, stillen Magie.

 

Am Ende des Dorfes steht eine moderne Beobachtungshütte, von der aus man – zur richtigen Jahreszeit – den Vogelzug arktischer Seevögel beobachten kann. Seeschwalben, Sturmtaucher, Dreizehenmöwen, Tordalken, Eiderenten und viele mehr ziehen hier im April und Mai in Scharen vorbei. Auch seltene Arten wie Weißschnabeltaucher, Eissturmvögel oder sogar Basstölpel werden hier immer wieder gesichtet. Für Vogelbeobachter sicher ein Paradies – für uns als Fotografen vielleicht etwas weniger reizvoll.

 

Auf der anderen Seite von Hamningberg befindet sich ein großer Parkplatz mit geschotterten Stellflächen für Camper. Wer es lieber etwas wilder mag, kann dem Weg noch ein Stück weiter folgen und erreicht einen Strandabschnitt, der ebenfalls Stellfläche bietet. Als wir am späten Abend gegen 22 Uhr ankommen, stehen schon einige Camper verteilt entlang der Küste. Wir finden schnell einen Platz, machen noch einen kleinen Spaziergang entlang der steinigen Küste und werden belohnt: mit einem fantastischen Sonnenuntergang und der Sichtung eines Seeadlers, der die Küste absucht.

 

Der Norden von Varanger

Um in den Norden von Varanger zu gelangen, kann man nicht einfach die Straße von Hamningberg weiter nach Westen nehmen – denn sie endet hier. Luftlinie sind es zwar nur etwa 20 Kilometer bis zum nächstgelegenen Ort Hamna, doch in der Realität bedeutet das einen Umweg von gut 300 Kilometern rund um die Halbinsel. Also machen wir uns von Hamningberg aus erst einmal wieder auf den Weg Richtung Vardø.

 

Auf dem Rückweg lohnt es sich, an einigen Stellen entlang der schmalen Straße anzuhalten – dort, wo Sträucher aus dem Boden sprießen, oder bei den Sanddünen von Sandfjordneset. Mit etwas Glück lassen sich hier auch einige Vögel entdecken. Wir konnten immerhin wieder Rotdrossel und Fitis fotografieren. In einer der Buchten haben wir dann auch unsere ersten Eisenten gesichtet.

 

Wir haben an diesem Tag allerdings ein ganz anderes, unerwartetes Highlight. Kurz vor Vardø laufen wir den Deich entlang, als plötzlich ein lautes Ausschnaufen an der Wasseroberfläche zu hören ist. Wir drehen uns um – und trauen unseren Augen kaum: Nur wenige Meter neben dem Deich taucht ein Walross auf! Riesig, mit mächtigen Stoßzähnen und glänzendem Fell liegt es im Wasser, holt tief Luft und gleitet wieder in die Tiefe. Etwa fünf Minuten später taucht es erneut auf, atmet stoisch, um dann wieder abzutauchen. Diesen Rhythmus können wir noch einige Male beobachten, während sich das Walross langsam weiter von uns entfernt.

 

Am Abend setzen wir unsere Fahrt fort, diesmal bis nach Vadsø. Einige Kilometer vor Ekkerøy entdecken wir mehrere Seeadler – einer von ihnen sitzt gelassen im Gegenlicht direkt neben der Straße. Selbst als wir anhalten, zeigt er sich unbeeindruckt und lässt uns schöne Aufnahmen machen. Kurz vor Ekkerøy dann die nächste Überraschung: unsere erste Sumpfohreule auf Varanger. Sie fliegt elegant über die Straße hinweg in Richtung des Vogelfelsens, dreht dort eine Runde und folgt dann der Küstenlinie. Schließlich verschwindet sie hinter einer Scheune entlang der Straße. Es bleibt die einzige Eulensichtung unserer gesamten Reise durch Varanger – und ein weiterer Moment, den wir sicherlich in Erinnerung behalten werden.

 

Schneehühner in Hamna

Die Küstenlandschaft hinter Vadsø in Richtung Tana bru überrascht uns mit ihrem satten Grün. Im hinteren Bereich Richtung Vardø dominierte noch eine steinige Küstenlandschaft mit nur wenigen hochwachsenden Pflanzen. Doch jetzt leuchtet alles intensiv grün. Wo wir 10 Tage zuvor noch durch die blattlosen Bäume hindurch die Landschaft von der Straße aus betrachten konnten, ist der Blick nun versperrt. Und auch die Vögel sind im dichten Grün deutlich schwerer zu entdecken.

 

Als wir Tana bru erreichen, folgen wir dem Fluss Tana weiter nach Norden. Diese Strecke fahren wir bewusst in den frühen Morgenstunden – in der Hoffnung, doch noch eine Eule zu entdecken. Leider bleibt es bei der Hoffnung.

 

Hinter Austertana ändert sich die Landschaft erneut. Es geht hinauf ins Hochland, und das dichte Grün lichtet sich zusehends. Die Bäume werden kleiner, die Sträucher verschwinden, bis fast nichts mehr davon übrig ist. Stattdessen empfängt uns wieder eine winterliche Szenerie. Als wir auf der anderen Seite ins nächste Tal abfahren, scheint die Zeit plötzlich einen Sprung nach vorne zu machen: Hier geben sich Winter und Sommer die Hand – frisches Grün in den Bäumen, während am Boden noch Schneereste liegen. Ein für uns sehr ungewöhnliches Landschaftsbild.

 

In Båtsfjord halten wir uns nicht lange auf. Der Küstenort wirkt auf uns wenig einladend und reizt uns nicht zum Verweilen. Der Weg nach Hamna führt uns dagegen durch ein schönes Tal, wobei der Hafen von Hamna auch nicht viel zu bieten hat. Wir parken den Van im Hafen und wandern entlang der Küste, steigen vom Hafen hinauf zum Sendemasten und weiter in Richtung des Vogelfelsens. Den Anspruch, ihn zu Fuß über das unwegsame Gelände zu erreichen, haben wir allerdings nicht. Wer möchte, kann vom Hafen aus Bootstouren buchen und dabei die Tölpelkolonie am Vogelfelsen besuchen. Mit etwas Glück kann man scheinbar sogar Delfine sehen.

 

Wir selbst erleben ein anderes, nicht minder schöne Begegnung: In der steinigen Hügellandschaft kreuzen plötzlich zwei Schneehühner unseren Weg. Das Männchen fliegt zunächst auf, um die Lage zu sondieren, kehrt aber nach kurzer Zeit zurück. Dann haben wir die Gelegenheit, das Paar längere Zeit zu beobachten. Zu unserer Überraschung sind sie recht entspannt, laufen um uns herum, als wir uns auf die Steine setzen. Ein unerwarteter Moment der Nähe.

 

Solche Erlebnisse lassen sich weder planen noch erzwingen. Jeder, der regelmäßig in der Natur unterwegs ist, kennt die Schönheit dieser Augenblicke – sie sind umso wertvoller, weil sie einfach geschehen.

 

Kongsfjord und Berlevåg

 Landschaftlich können wir die Fahrt nach Kongsfjord und weiter nach Berlevåg sehr empfehlen. Das nötige Glück, eine Eule zu entdecken, hatten wir leider nicht – selbst nicht, als wir die Strecke einmal am späten Abend bis tief in die Nacht hinein gefahren sind.

 

Dennoch überzeugt diese Route mit einem fantastischen Landschaftsbild. In Kongsfjord lohnt sich eine kleine Wanderung über die Landzunge. Dort stößt man auf Überreste von Verteidigungsanlagen aus dem Zweiten Weltkrieg. Solche Relikte begegnen einem auf Varanger immer wieder, doch hier sind sie besonders großflächig ausgebaut.

 

Wir verbringen die Nacht auf dem Parkplatz und genießen die wunderbare Ruhe. Am Abend lassen wir uns im benachbarten Restaurant „Kongsfjord Arctic Lodge“ - bei einem guten Preis-Leistungsverhältnis - verwöhnen.

 

Am nächsten Tag geht es weiter nach Berlevåg. Nach unserer Ankunft fahren wir bis hinter den kleinen Flugplatz und stellen uns auf einen sandigen Parkplatz. Leider ohne genau darauf zu achten, wie locker der Untergrund tatsächlich ist. Von hier aus lässt sich die Küste über viele Kilometer erkunden – ein faszinierender, aber auch nachdenklich stimmender Spaziergang. Das angespülte Strandgut erinnert eindrücklich daran, was es bedeutet, wenn von Plastikmüll in den Meeren die Rede ist.

 

Als wir uns am späten Abend wieder auf den Weg machen wollen, nimmt das Abenteuer noch eine Wendung. Hätte ich den gleichen Weg zurückgesetzt, wie wir gekommen sind, wäre alles gut gewesen. Aber ich fahre nach vorne – und stehe plötzlich felgentief im losen Sand. Mit Hilfe der Hubstützen, unserer Schaufel und etwas Strandgut gelingt es uns nach zwei Versuchen, den Parkplatz wieder zu verlassen. Damit haben wir auch dieses Kapitel unserer Reise erlebt – und sind fürs nächste Mal definitiv um eine Erfahrung reicher.

 

Unterwegs an der T-Kreuzung

 Ein besonderer Ort im Norden von Varanger ist die Hochebene rund um die T‑Kreuzung, an der die Fv 890 und die Fv 891 zusammentreffen. Wer den Norden erkunden möchte, kommt hier oben automatisch mehrfach vorbei – und ein Stopp lohnt sich jedes Mal!

 

Auf den teils noch zugefrorenen Seen Anfang bis Mitte Juni treffen bereits die ersten Zugvögel ein und besetzen ihre Reviere. Während unserer Tage im Norden haben wir die Seen immer wieder abgesucht – mal langsam mit dem Auto vorbeifahrend, mal zu Fuß, wenn wir das Auto abstellen konnten.

 

Besonders eindrucksvoll war eine nächtliche Rückfahrt von Berlevåg. Bei strahlendem Sonnenschein – weit nach Mitternacht – hielten wir an einem der Seen und verbrachten dort Stunden mit der Kamera. Diese Stimmung, das weiche Licht der Mitternachtssonne und das stille Wasser mit den Vögeln war besonders beeindruckend. Die sonst recht scheuen Eisenten akzeptierten uns sogar einige Zeit recht nahe am Ufer. Die beste Position für einige schöne Fotos.

 

Unser Hauptmotiv waren die Eisenten, die hier auf den Seen zu finden sind. Doch auch Sterntaucher, Eistaucher, Kampfläufer, Sanderlinge, Odinshühnchen, Regenbogenpfeifer und sogar ein Rotkehlpieper ließen sich blicken – ein buntes Stelldichein nordischer Vogelarten, die sich in dieser kargen, einsamen Landschaft sichtlich wohlfühlen.

 

Varanger - ist es wirklich so einmalig?

Wir reisen mit recht hohen Erwartungen nach Varanger. Über die Region wird so viel erzählt, und auch das Buch, das ich eingangs erwähnt habe, beschreibt nahezu unendlich viele Möglichkeiten, arktische Vögel zu sehen und zu fotografieren.

 

Schnell wird jedoch klar: Wie immer hängt alles maßgeblich von der Jahreszeit ab, was man tatsächlich zu Gesicht bekommt. Wir hatten unsere Ankunft gezielt auf die Zeit der Kampfläufer abgestimmt – und dieses einmalige Spektakel konnten wir auch an mehreren Stellen über die Halbinsel verteilt beobachten. Damit war uns aber auch bewusst, dass wir die große Migration der arktischen Vögel mit den tausenden Eiderenten und Prachteiderenten nicht mehr erleben würden. Ein wenig hatten wir darauf gehofft, doch diese Hoffnung hielt nicht besonders lange an.

 

Seeadler lassen sich entlang der Küste fast überall beobachten – ein imposanter Anblick, der nie langweilig wird. Die im Frühjahr oft gesichteten Eulen dagegen konnten wir auf unserer Reise leider gar nicht entdecken. Die Hochebene, die ebenfalls für viele Vogelarten bekannt ist, kann je nach Wetterlage ohnehin meist erst Anfang bis Mitte Juni besucht werden, wenn die ersten Seen zumindest teilweise aufgetaut sind.

 

Ein absolutes Highlight bleibt für uns die Vogelinsel Hornøya. Dieses Erlebnis ist ein Muss, wenn man Varanger besucht. Die Nähe zu den Vögeln ist einzigartig – so nah und intensiv haben wir diese Begegnungen bisher nirgendwo sonst erlebt.

 

Seit unserem Besuch schwärmen wir von Varanger als unser absolutes Highlight bezüglich der Tierfotografie in Norwegen. Nirgendwo sonst haben wir eine solche Vielfalt und in Relation zum sonstigen Norwegen auch eine Dichte an Vögeln erlebt. Unsere Vorfreude wurde in vieler Hinsicht bestätigt. 

 

Auch landschaftlich hat uns Varanger begeistert. Die abwechslungsreichen Szenerien bieten eine fantastische Ergänzung zu den zuvor bereisten Regionen Norwegens – von kargen Hochebenen über steinige Küsten bis zu sattgrünen Tälern. Wenn auch nicht so spektakulär wie der Süden Norwegens, hat diese Gegend einen ganz eigenen Charme. 

 

Insgesamt verbringen wir fast fünf Wochen in der Region, davon vier Wochen direkt auf der Halbinsel Varanger. Zeit genug, um Varanger intensiv zu erkunden – und doch bleibt das Gefühl, dass diese wilde, arktische Landschaft noch viele weitere Geheimnisse birgt.

 

Wir würden gerne auch einmal Anfang April hier sein, um die Ankunft der Papageientaucher und die große Migration der arktischen Vögel in den Norden mitzuerleben. Damit steht fest: Varanger wird uns ganz sicher noch einmal wiedersehen.

 

Solltet Ihr Euch nun Fragen, wo wir die weitere Woche hier oben verbracht haben, dann seit auf den nächsten Blogbeitrag gespannt. 

Unsere Übernachtungsplätze auf Varanger

Wer auf Varanger unterwegs ist, wird entlang der Straßen und der Küste immer wieder schöne Stellplätze für die Nacht entdecken. Im Juni hatten wir nicht ein einziges Mal Schwierigkeiten, einen passenden Übernachtungsplatz zu finden.

 

Natürlich gibt es auch offizielle Campingplätze, die wir hin und wieder genutzt haben – vor allem, um Grauwasser zu entsorgen und Frischwasser aufzufüllen. So oft es möglich war, haben wir jedoch frei gestanden und die Ruhe und Einsamkeit dieser einzigartigen Landschaft genossen.

 

Campingplätze, die wir besucht haben:

Kostenpflichtiger Stellplatz:

Kostenloser Stellplatz:

Frei stehen auf Varanger ist wirklich einfach, daher nur einige Beispiele:

Feedback und Kommentare

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Wir wünschen dir eine gesunde und erfolgreiche Reise!