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Part 6 - Norwegen, die Landschaftsroute Helgelandskysten bis Bodø

Die faszinierende Felsenöffnung Torghatten auf der Landschaftsroute Helgelandskysten
Helgelandskysten - Torghatten - das Loch im Felsen

Wir lassen Trondheim hinter uns, ohne die Stadt zu besichtigen. Die Entscheidung fällt uns nicht leicht, aber das Wetter ist einfach nicht auf unserer Seite – und nach einer Stadt war uns gerade auch nicht.

 

Stattdessen lockt die Landschaftsroute Helgelandskysten. Sie beginnt in Holm und verläuft etwa 433 km entlang der Küste bis südlich von Bodø. Sie zählt zu den offiziellen norwegischen Landschaftsrouten (Nasjonale turistveger). Die Route ist landschaftlich spektakulär, mit Fjorden, Inseln, Küstengebirgen und oft wenig Verkehr – also absolut lohnenswert.


Wir wollen uns dafür Zeit nehmen – auch mal einen Tag aussitzen, um die Highlights nicht im Regen erleben zu müssen.

Auf dem Weg zum Torghatten

Mit dieser Entscheidung geht es auf der E6 an Trondheim vorbei – ohne Stopp in der Stadt. Einige Kilometer abseits der „Autobahn“ erreichen wir unser erstes Übernachtungsziel: direkt gegenüber der kleinen Insel Steinvikholmen im Åsenfjord, einem Seitenarm des Trondheimsfjords in der Gemeinde Stjørdal, Trøndelag. Auf der Insel thront die Ruine von Steinvikholm Slott – eine der bedeutendsten mittelalterlichen Festungen Norwegens.

 

Das Schloss wird zwischen 1525 und 1532 vom letzten katholischen Erzbischof Norwegens, Olav Engelbrektsson, errichtet. In einer Zeit politischer und religiöser Umbrüche dient es als Machtzentrum der katholischen Kirche und als Bollwerk gegen die Reformation. Nach Engelbrektssons Flucht im Jahr 1537 wird das Schloss kampflos an protestantische Truppen übergeben.

 

Wir kommen an einem regnerischen Tag an. Der Wind pfeift mit über 60 km/h, und wir richten den Van wie eine Windfahne aus, damit er nicht ständig ins Wanken gerät. Erst einmal ist Zeit für Arbeit. Doch am späten Abend bricht die Sonne durch die Wolken und taucht diesen geschichtsträchtigen Ort in warmes Licht. Der perfekte Moment für einen späten Spaziergang entlang des Küstenstreifens.

 

 

Direkt vor unserem Van – unter der schönen Holzbrücke, die die Insel mit dem Festland verbindet – tummeln sich immer wieder Eiderenten und auch Austernfischer sieht man immer wieder zwischen den Steinen nach Futter suchen.  Viel Zeit für Tierfotografie nehmen wir uns diesmal nicht – die Brandung ist für die Enten zu stark. Dennoch lassen sich die Eiderenten gut beobachten.

Stellplatz neben der Insel

 

Die aktuell 200 NOK pro Nacht lassen sich bequem im kleinen Häuschen am Parkplatz per Kreditkarte zahlen. Dort gibt es sogar einen Kühlschrank mit süßen Snacks und Getränken sowie einen Kaffeeautomaten. Die Toilette ist rund 100 Meter entfernt – vom Typ „ohne Spülung“, hier fällt einfach, was fallen muss.

 

Uns stört das nicht – wir suchen hier keine Perfektion, sondern genießen die Umgebung. Selbst bei Sturm. Der legt sich zum Glück in der Nacht.

 

Fantastische Landschaften und eine überraschende Begegnung

Am nächsten Morgen fahren wir zurück auf die E6 und weiter bis zur Abzweigung auf die Straße 17. Jetzt sind wir auf der Landschaftsroute Helgelandskysten angekommen. Zu Beginn führt sie uns noch durch eine Agrarlandschaft – von Ruhe und wenig Verkehr ist hier noch nichts zu spüren. Doch nach rund 50 Kilometern, kurz vor der Stadt Namsos, biegen wir rechts ab – und plötzlich ändert sich die Szenerie komplett.

 

Die Straße wird schmaler, bleibt aber gut ausgebaut. Ab und zu kommen uns Autos oder LKWs entgegen, die mit ordentlich Tempo durch die Kurven rauschen. Doch die Landschaft beginnt sich zu wandeln: Am Horizont tauchen schneebedeckte Berge auf. Später sehen wir noch Schneereste am Straßenrand, und die Bäume tragen hier Anfang Mai noch keine Blätter. Der Frühling hat es bislang nicht bis hierher geschafft. Das ändert sich, als wir in Richtung unserer ersten Fährfahrt auf der Landschaftsroute fahren. Plötzlich wird es grüner – wenn auch noch lange nicht vergleichbar mit dem Süden Norwegens.

 

Wir fahren vorbei an klaren Seen, durch enge Täler, entlang steiler Berge – und einem wunderschönen Wasserfall. Da wir tagsüber eine längere Arbeitspause brauchen, setzen wir unsere Fahrt am späten Nachmittag fort – bis in den Abend hinein. Die letzten 40 Kilometer bis zur Fähre müssen wir dann doch etwas zügiger angehen. Um 18:40 Uhr erwischen wir gerade noch die Fähre von Holm nach Vennesund. Wie immer läuft alles unkompliziert, und nach etwa 25 Minuten setzen wir die Fahrt auf der anderen Seite fort.

 

Überraschende Begegnungen

 

Entlang der Strecke lassen sich immer wieder Kraniche entdecken. Leider haben bei uns die Buchten nie mit einer Sichtung zusammengepasst – und ehrlich gesagt: Am Straßenrand einfach stehenbleiben ist hier keine gute Idee. Die Laster auf der Straße 17 sind auch in diesem Abschnitt hinter Namsos deutlich zu flott unterwegs.

 

Dafür sehen wir mehrfach größere Gruppen von Kurzschnabelgänsen auf den Feldern. Leider sind sie ziemlich scheu – sobald wir mit dem Van heranfahren. Für gute Fotos reicht es nicht, aber schön anzuschauen ist es trotzdem.

 

Das Highlight dieser Etappe ist jedoch eine ganz andere, unerwartete Begegnung. Die Wildwechsel-Warnschilder entlang der Straße kündigen es eigentlich schon an. Bei uns zu Hause sind darauf Rehe oder Hirsche abgebildet – in Norwegen ist es der Elch. Und hier gibt es viele dieser Schilder. Es lohnt sich wirklich, in diesen Zonen aufmerksam zu sein. Wir haben das Glück, gleich drei Elche zu sehen.

 

Der erste steht etwas zurückgesetzt auf einem Feld – perfektes Licht, ruhige Szene. Und so bekommen wir unser erstes echtes Elchporträt. Wir sind super happy. Wenig später, nur ein paar hundert Meter weiter, steht plötzlich ein Elch im Straßengraben, direkt neben uns, bereit zum Überqueren. Ich steige voll in die Eisen, der Elch macht einen Satz zurück, und die kleine Kolonne hinter uns kommt ebenfalls zum Stehen. Dann überquert der Elch zwischen den Autos die Straße – und ist schon wieder verschwunden.

 

Wenn so ein Tier direkt neben dem Auto steht, merkt man erst, wie riesig es wirklich ist. Mit einer Schulterhöhe von bis zu 2,3 Metern und einem Gewicht von rund 700 Kilogramm ist der Elch nicht umsonst der größte Vertreter der Hirsche.

 

Kurz nach der Fähre in Vennesund entdecken wir sogar nochmals einen Elch – er steht hinter einem einsamen Haus. Auch hier gelingen uns ein paar schöne Aufnahmen. Zufrieden rollen wir weiter – hinein in die letzten 50 Kilometer dieses abwechslungsreichen Tages.

Torghatten - das berühmte Loch im Felsen

Noch von weitem wirkt der Torghatten wie ein ganz normaler Granitberg der jedoch immerhin rund 258 Meter über dem Meer aufragt. Das berühmte und riesige Loch, das ihn durchbohrt, konnten wir bei der Anfahrt noch nicht entdecken. 

 

Wir stellen unseren Van auf den geschotterten Stellplatz ab und zahlen die 200 NOK ganz klassisch im Umschlag – direkt neben der Toilette. Es ist etwa 21 Uhr, und nach einem kurzen Gespräch mit einem anderen Touristen, der gerade von seiner Tour zurückkommt, entscheiden wir uns spontan, noch heute zum Felsenloch hinaufzuwandern.

 

Direkt vom Stellplatz führt ein Weg rechts in den Berg hinein. Gut ausgebaute Steintreppen bringen uns in etwa 15 Minuten die rund 120 Höhenmeter hinauf. Lange Zeit bleibt unklar, wo sich die Öffnung befinden könnte – auch vom Parkplatz war trotz der Abmessungen des Lochs nichts zu erkennen. Dann öffnet sich plötzlich eine Felsspalte, und man sieht eine erste Öffnung – noch aus der Froschperspektive. Erst nach dem letzten Anstieg steht man plötzlich vor diesem gewaltigen „Tunnel“. Die Eingänge auf beiden Seiten sind teils mit Geröll zugeschüttet, in der Mitte öffnet sich eine große Felsenhalle – ein spektakulärer Anblick.

 

Das berühmte Loch misst etwa 160 Meter in der Länge, 35 Meter in der Höhe und bis zu 20 Meter in der Breite – groß genug, um problemlos hindurchwandern zu können. Geformt wurde dieses Naturwunder während der letzten Eiszeit, als Wasser und Eis weichere Gesteinsschichten aus dem Berg wuschen und die härteren Strukturen bestehen blieben. Heute ist das Loch nicht nur ein geologisches Highlight, sondern auch ein perfekter Aussichtspunkt auf die umliegende Schärenlandschaft – bei klarem Wetter sogar bis zu den „Sieben Schwestern“.

 

Über eine Stahltreppe geht es hinein in den Tunnel, den man vollständig durchqueren kann. Auf der anderen Seite öffnet sich der Blick auf das offene Meer und die vorgelagerte Schärenlandschaft. Es ist etwa 30 Minuten vor Sonnenuntergang, und wir entscheiden uns, die komplette Runde um den Berg zu laufen – nicht jedoch, ohne einige klassische Aufnahmen dieser Felsenhöhle zu machen. Persönlich finde ich den Begriff „Höhle“ für diese Ausmaße etwas untertrieben, aber eine bessere Bezeichnung fällt mir auch nicht ein.

 

Pünktlich zum Sonnenuntergang gegen 22 Uhr sind wir wieder am Van und genießen den wohlverdienten Feierabend, nach einem fantastischen Tag voller intensiver Eindrücke. 

 

Stellplatz für zwei Nächte: Stellplatz Torghatten

 

Ein Campingplatz liegt nur wenige Meter weiter, wir haben ihn uns jedoch nicht angesehen – bei dem Regen wollten wir das Auto lieber nicht auf eine nasse Wiese stellen.

 

Eine gute Entscheidung. Am nächsten Morgen sind schon alle Wege feucht. Dennoch starten wir nochmals eine kleine Runde um den Torghatten – und sind rechtzeitig vor dem einsetzenden Dauerregen zurück. Der Rest des Tages gehört der Arbeit und der Planung der nächsten Etappen.


Die Sage vom Torghatten

 

Der Legende nach war es der Troll Hestmannen, der sich unglücklich in die schöne Jungfrau Lekamøya verliebte. Als sie vor ihm floh, schoss er im Zorn einen Pfeil hinter ihr her. Doch in letzter Sekunde warf der Trollkönig von Sømna seinen Hut dazwischen, um das Mädchen zu retten.

 

Der Pfeil durchbohrte den Hut – und genau in diesem Moment ging die Sonne auf. Die Sonne versteinert in den Sagen der Nordleute alles, was sie im ersten Lichtstrahl erfasst – so erstarrten Pfeil, Troll und Hut zu Stein.

 

Der durchbohrte Hut fiel zu Boden – und wurde zum Torghatten, dem „Berg mit dem Loch“.


Verregnete Tage auf dem Weg nach Bodø

Nach drei Wochen mit zum Teil recht wechselhaftem Wetter, hat uns nun der Dauerregen erwischt. Der Regen selbst ist dabei gar nicht das große Problem – klar, wer hätte nicht gerne ein bisschen Sonnenschein auf der Route. Aber in den vergangenen Wochen lässt sich die Landschaft trotz aller Wetterlaunen immer noch gut sehen und bestaunen.

 

Jetzt jedoch verschwindet die beeindruckende norwegische Szenerie vollständig in den Wolken. Und ich meine nicht nur die Bergspitzen – das kann ja sogar spannend aussehen, sondern die gesamte Landschaft liegt verborgen unter tief hängenden, grauen Wattewolken. Ein konstanter, feiner Regen rundet das Bild ab. Keine idealen Bedingungen, um eine der schönsten Landschaftsrouten Norwegens zu fahren.

 

Wir entscheiden uns daher, am Torghatten noch eine zweite Nacht stehen zu bleiben - und wen wundert es, wir sind hier ab dem Nachmittag und die gesamte Nacht komplett allein. 

 

Die Bergkette der "Sieben Schwestern"

Wir bleiben positiv – auch wenn die Wettervorhersage nicht gerade dafür spricht – und fahren die Straße 17 weiter nach Norden. Heute liegen mehrere Fährfahrten vor uns, und schnell wird klar: Eine bessere Planung wäre hilfreich gewesen. Die erste Fähre bei Horn verpassen wir um wenige Sekunden – die Schranke geht gerade runter, als wir über den Hügel auf die Anlegestelle zufahren.

 

Wieder eine Erfahrung reicher. Nun dürfen wir 1,5 Stunden auf die nächste Fähre warten. Da uns die Arbeit nicht ausgeht, packen wir die Laptops aus. Im Nachhinein fällt mir auf: Ich habe auf der gesamten Strecke kein einziges Bild gemacht, das die düstere Stimmung dokumentiert.

 

Für Abwechslung sorgt ein unerwarteter Moment: Wir sitzen vertieft in unsere Arbeit, als es plötzlich ans Fenster klopft. Zum dritten Mal begegnen wir einem deutschen Paar, das ebenfalls auf die Fähre wartet und sich direkt hinter uns eingereiht hat. Ein schöner Zufall – und wie immer eine gute Gelegenheit für einen kurzen Austausch. Sie entscheiden sich allerdings, wieder zurück auf die E6 zu fahren und wegen des Wetters die schnellere Route in den Norden zu nehmen.

 

Auf dem Weg zu unserem Tagesziel – der Inselkette Herøy–Dønna – stehen noch zwei weitere Fjordquerungen mit der Fähre an. Diesmal haben wir Glück: Beide Male erreichen wir die Fähre genau rechtzeitig zur Abfahrt.

 

Die beiden Inseln, verbunden durch eine Brücke, sollen landschaftlich sehr reizvoll sein. Unser eigentliches Ziel ist jedoch der Ausblick auf die Bergkette der Sieben Schwestern. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Und das tut es nicht. Dennoch hoffen wir auf diesen einen kurzen Moment – dass sich der Himmel öffnet, die Wolken aufreißen und den Blick freigeben, zumindest teilweise. Der Versuch ist es allemal wert.

 

Hintergrund:

Die berühmte Bergkette der Sieben Schwestern erhebt sich markant über dem Helgelandfjord und zählt zu den eindrucksvollsten Landschaftsmotiven Nordnorwegens. Ihre sieben Gipfel reihen sich dramatisch aneinander, jeder mit eigenem Namen und Charakter – zwischen 910 und 1.072 Metern hoch. Bei klarer Sicht – die uns leider verwehrt bleibt – wirkt das Panorama beinahe surreal, als hätte jemand riesige Skulpturen in die Landschaft gestellt. Einer Legende nach handelt es sich um sieben Trollschwestern, die bei ihrer Flucht im Morgengrauen zu Stein erstarrten – eine von vielen nordischen Sagen, die dem Ort seinen ganz eigenen Zauber verleihen.

 

Wir übernachten auf einem kleinen Parkplatz direkt an der einspurigen Straße. Es fahren nur sehr wenige Autos und die Nacht selbst ist absolut ruhig. Klar, am Morgen geht es mit einzelnen Autos los, wenn die Fähren zum Festland ihren Dienst aufnehmen. Das passt für uns, da wir eh wieder weiterfahren wollen. 

Parkplatz mit Blick auf die Sieben Schwestern

 

Den Blick auf die Sieben Schwestern bekommen wir auch heute nicht. Also machen wir uns auf den Weg zum nächsten Ziel.

Es geht doch noch - wir können den Svatisen Glasier sehen

 

Unser nächstes Ziel ist der Svartisen-Gletscher. Vor uns liegen mindestens fünfeinhalb Stunden Fahrt und vier Fährüberfahrten. Was wir von der Landschaft unterwegs zu sehen bekommen, ist ungewiss – der Tag beginnt, wie der gestrige geendet hat: grau, regnerisch und in Wolken gehüllt.

 

Kurz überlegen wir, einfach noch einen Tag zu bleiben. Doch der Parkplatz, auf dem wir übernachtet haben, ist wenig einladend. Die Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt – es sei denn, man möchte an der Straße entlang spazieren. Also entscheiden wir uns für den Aufbruch.

 

Am Abend zuvor haben wir die gesamte Route inklusive aller vier Fähren durchgeplant. Das gibt uns nun ein gutes Gefühl, nicht wieder in lange Wartezeiten zu geraten. Wir wissen, wie viel Zeit wir für die Strecken zwischen den Fährüberfahrten haben und das sieht alles recht entspannt aus. Wir werden jedoch den ganzen Tag unterwegs sein.

 

Zunächst geht es zurück aufs Festland. Für einen kurzen Moment reißt der Himmel ein wenig auf – die Wolken geben einen winzigen Blick auf die Sieben Schwestern frei. Das Massiv mit seinen sieben Gipfeln lässt sich gerade so erahnen, ehe es wieder hinter grauen Wolken verschwindet.

Für uns geht es nun direkt auf die Straße 17 und weiter nach Norden. Wir überqueren die rund 1.000 Meter lange Helgeland-Brücke – eine elegante Hängebrücke, bei der sich ein kurzer Stopp hinter der Überfahrt definitiv lohnt. Von dort hat man einen schönen Blick zurück auf das Bergmassiv, das sich bei gutem Wetter eindrucksvoll in Szene setzt.

 

Etwa 30 Minuten später erreichen wir die Fähre nach Nesna. Einige Autos stehen bereits in der Warteschlange, doch wie schon bei den vorherigen Überfahrten ist auch diese Fähre bei weitem nicht voll. Alles läuft ruhig und entspannt.

 

Immer wieder sieht es so aus, als würden sich die Wolken langsam heben – ein kleiner Hoffnungsschimmer –, doch nur einen Moment später ist wieder alles wie zuvor: grau und verhangen.

 

 

Nun geht es rund 90 Minuten weiter durch eine eindrucksvolle Landschaft. Immer wieder sehen wir Schneefelder, die stellenweise bis auf Meereshöhe reichen. Vom Frühling ist hier kaum noch etwas zu spüren. Nur in einzelnen, offenbar sonnenverwöhnten Tälern zeigen sich erste Anzeichen – junge Blätter, die sich zaghaft aus ihren Knospen schieben.

 

Entlang der Strecke passieren wir mehrfach Schilder, die vor Elch-Wildwechsel warnen – teils mit erhöhter Warnstufe. Heute zeigen sich die Elche jedoch nicht. Wobei: ganz stimmt das nicht. Einen Elch entdecken wir auf einer Lichtung beim Grasen – leider ohne Möglichkeit zum Anhalten.

 

Dafür haben wir Glück mit einer anderen tierischen Begegnungen: Zwei Bergrentiere – auch als norwegische Rentiere bekannt – grasen gemächlich auf einer Lichtung hinter einigen Häusern. Ein schöner Moment und eine willkommene Abwechslung.

 

Es wird deutlich, warum die Straße 17 zu den schönsten und abwechslungsreichsten Landschaftsrouten Norwegens zählt – hier reiht sich ein landschaftlicher Eindruck an den nächsten - still aber rau und eindrucksvoll.

 

Immer wieder sehen wir heute die gleichen Camper und Reisenden, die ebenfalls in Richtung Norden unterwegs sind. So treffen wir auch an der nächsten Anlegestelle in Kilboghavn wieder einige bekannte Vans. Wir haben hier etwas Zeit – für ein schnelles Mittagessen und ein paar Arbeitsaufgaben –, bevor uns die Fähre in rund 60 Minuten nach Jektvik bringt.

 

Diese Fährüberfahrt markiert gleichzeitig einen besonderen Moment: Wir überqueren den Polarkreis. Er liegt auf 66°33′ nördlicher Breite und ist die Grenze, ab der die Sonne an mindestens einem Tag im Jahr nicht untergeht – oder gar nicht aufgeht, je nach Jahreszeit. Nördlich davon beginnt das Reich der Mitternachtssonne und der Polarnächte.

Am Festland wird die Stelle, an der der Polarkreis verläuft, durch eine kleine Betonskulptur mit Weltkugel markiert – sie steht gut sichtbar an der Küste und ist auch von der Fähre aus zu erkennen. Nun haben wir es geschafft, die nächsten Wochen werden wir diese "ganz besonderen Welt" erkunden.

Nach der Ankunft in Jektvik fahren wir noch einige Kilometer bis zur vierten und letzten Fährüberfahrt des Tages. Kurz darauf erreichen wir den Parkplatz, auf dem wir auch die Nacht verbringen wollen. Fast alle Vans und Camper, die mit uns auf der letzten Fähre waren, steuern ebenfalls diesen Platz an – für einen Moment wird es selbst zu dieser Jahreszeit etwas voll.

 

Denn wir alle haben dasselbe Ziel: einen Blick auf den Svartisen-Gletscher. Doch der zeigt sich zunächst nicht. Viele geben nach kurzer Zeit auf und fahren weiter. So stehen wir plötzlich allein auf dem Platz – mitten in der Natur, vor einem Gletscher, der sich noch hinter Wolken versteckt.

 

Aber nur wenige Minuten später sehen wir zum ersten Mal einen Teil der Eisfläche. Im Laufe des Abends, die Sonne geht erst um 22:20 Uhr unter, zeigt sich der Gletscher fast vollständig. Mittlerweile haben sich vier weitere Camper und ein Radfahrer zu uns gesellt – alle bleiben über Nacht und bestaunen mit uns die Szenerie.

 

Es sind genau diese Momente, in denen sich die Wolken langsam lichten, die Berge sichtbar werden und die Wolken und das Licht die Landschaft minütlich verändert. Plötzlich wird das vermeintlich schlechte Wetter zum besten Wetter, das man sich für diese Kulisse wünschen kann. Die Dramatik der Landschaft ist kaum zu übertreffen. Ein Sonnenstrahl hätte das Bild noch perfekter gemacht – aber auch so ist der Blick aus dem Van einfach fantastisch.

 

Leider fährt zu dieser Jahreszeit noch kein Boot über den See, daher ist die Wanderung zum Gletscher nicht möglich. Wir sind rund zwei bis drei Wochen zu früh dran. Im kleinen Hafen liegt zwar ein Touristenboot, doch es ist niemand da, der uns übersetzen könnte. Wir hatten uns auf die Tour gefreut, wussten aber schon im Vorfeld, dass es wahrscheinlich nicht klappen würde.

 

Am nächsten Morgen hängen die Wolken deutlich höher. Nun sehen wir die gesamte Bergkulisse – das Warten hat sich gelohnt. Die Nacht direkt an der Straße war ruhig, der Platz ideal für diese besondere Aussicht.

 

Heute starten wir in unser letztes Teilstück. Unser Ziel: die nächste Nacht verbringen wir auf den Lofoten.

 

Parkplatz mit Sicht auf den Svatisen Glasier

 

Der Gezeitenstrom Saltstraumen und die Überfahrt auf die Lofoten

Bevor wir die Fähre auf die Lofoten erreichen, durchqueren wir noch einmal eine teils winterliche Landschaft entlang der Straße 17. Heute zeigen sich endlich die umliegenden Berggipfel, und wir können kleine Pausen einlegen, um die Eindrücke zu genießen. Die Fähre soll erst um 16:30 Uhr ablegen – genug Zeit, um die rund 2,5 Stunden Fahrzeit gemütlich aufzuteilen. So zumindest unser Plan.

 

Gegen Mittag erreichen wir den Saltstraumen, den stärksten Gezeitenstrom der Welt – ein beeindruckendes Naturphänomen südlich von Bodø. Etwa alle sechs Stunden pressen sich bis zu 400 Millionen Kubikmeter Wasser durch eine nur 150 Meter breite und drei Kilometer lange Meerenge zwischen dem Skjerstadfjord und dem Saltfjord. Dabei entstehen Strudel mit bis zu zehn Metern Durchmesser und Strömungsgeschwindigkeiten von bis zu 20 km/h.

 

Wer das Spektakel erleben will, sollte einen Blick auf die Gezeitentabelle werfen. Die eindrucksvollste Zeit ist der Moment zwischen Ebbe und Flut – also bei steigendem oder fallendem Wasserstand –, wenn das Wasser mit voller Kraft zwischen den Fjorden hin- und herschiebt. Bei Hoch- oder Niedrigwasser ist dagegen kaum Bewegung zu sehen.

 

Rund um den Saltstraumen gibt es einige kleine Wanderwege mit guten Aussichtspunkten. Wer mag, kann auch die Brücke überqueren, die direkt über den Engpass führt – von dort bietet sich ein toller Blick. Mit etwas Glück lassen sich auch Eiderenten und andere Wasservögel beobachten.

 

🌀 Tipp: Saltstraumen erleben
📅 Beste Zeit: Zwischen Hoch- und Niedrigwasser – hier ist die Strömung am stärksten.
📈 Gezeiten prüfen: Die aktuellen Zeiten findest du z. B. auf saltstraumen.com oder über lokale Touristeninfos.
👟 Aussichtspunkte: Kleine Wanderwege rund um den Engpass, oder direkt von der Brücke aus.
🔭 Naturbeobachtung: Halte Ausschau nach Eiderenten, Seevögeln – und gelegentlich sogar Seehunden.

 

Irgendwann kommt uns der Gedanke, dass wir überhaupt nicht wissen, wie gut die Fähre auf die Lofoten aktuell ausgelastet ist. Eine kurze Recherche bringt die Erkenntnis: Diese Fähre hätten wir reservieren können. Also packen wir unsere Sachen und sind gut 90 Minuten vor Abfahrt am Hafen.

 

Wir rechnen mit ein paar Fahrzeugen – und werden überrascht: Rechts die Spuren für reservierte Autos, Lkw und Camper; links mehrere Wartespuren für alle ohne Reservierung. Wir reihen uns fast am Ende der zweiten dieser Spuren ein.

 

Und tatsächlich: Wir kommen als eines der letzten Fahrzeuge an Bord. Die Autos der mittlerweile entstandenen dritten Warteschlange müssen allerdings zurückbleiben – sie dürfen erst mit der nächsten Fähre am Sonntag fahren.

 

🚢 Tipp: Fähre Bodø – Moskenes (Lofoten)
🔎 Fahrpläne & Buchung: torghatten-nord.no
Reservierung empfohlen – auch in der Nebensaison!
📱 Vor Ort registrieren: QR-Code am Hafen scannen, Fahrzeugdaten eingeben, Bestätigung zeigen.
Ohne Buchung: Wartespuren für spontane Mitfahrer – mit Glück klappt’s, aber keine Garantie!

 

Die Überfahrt verläuft unkompliziert, aber die See ist unruhig. Wer empfindlich ist, sollte sich vorbereiten, denn nach dem Ablegen ist der Zugang zu den Fahrzeugen nicht mehr möglich. Nach etwa 3,5 Stunden sehen wir schließlich Land – allerdings erst spät, denn dichter Nebel und Wolken verhüllen die Lofoten bis kurz vor der Ankunft. Zur Begrüßung gibt’s Schneeregen.  

 

Weiter geht es im nächsten Kapitel: Die Lofoten – ein kleines Naturwunder.

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